Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

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Genossenschaft durch das neue Concursverfahren gestärkt oder geschwächt? 
Mit Recht verneint er das Letztere und behauptet dann, „dass das neue 
Gesetz nicht weit genug gegangen ist, um die Aengstlichkeit und die Furcht 
vor dem Risico des Besitzenden insoweit zu zerstreuen, als es nöthig wäre, 
um den Genossenschaften in noch grösserem Masse die solventen Kräfte 
zuzuführen‘. Der Verfasser fordert die völlige Beseitigung des Einzelangriffs 
und stellt sich damit auf die Seite eines grossen Theils der Genossenschaften, 
die unterstützt von (GOLDSCHMIDT und unter Berufung auf eine frühere 
Forderung von SCHULZE-DELITZSCH bereits bei der Berathung des Gesetz- 
entwurfs das gleiche Verlangen gestellt hatten. Ein Urtheil über diese Be- 
stimmungen des Gesetzes wird sich erst mit einiger Sicherheit fällen 
lassen, wenn Erfahrungen mit denselben vorliegen, und dies ist noch nicht 
der Fall. 
Die weitere Frage, die der Verfasser dann aufwirft, ist die, sind die 
„Bestimmungen des Concursverfahrens, die getroffen worden sind wegen 
der Unbeschränktheit der Haftpflicht, nöthig und erspriesslich für die Ge- 
nossenschaften mit beschränkter Haftpflicht“? Die Antwort lautet zunächst, 
dass der Gesetzgeber in consequenter Durchführung seines Gedankens: 
Sicherung der Gläubiger und des Credits hier mehr für die Gläubiger hätte 
Sorge tragen müssen, und dass er durch die Unterlassung „die Genossen- 
schaft mit beschränkter Haftpflicht zu einer Genossenschaft mit beschränkter 
praktischer Anwendung gemacht“ hat, dass ferner durch die einzige Sonder- 
bestimmung (Eröffnung des Concursverfahrens bereits im Falle der Ueber- 
schuldung, sofern diese ein Viertheil des Betrages aller Haftsummen über- 
steigt) „die Lebensader der Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht“ unter- 
bunden sei. Wenn auch dem Verfasser vielleicht — es fehlen auch hier noch ge- 
nügende praktische Erfahrungen — zuzugeben ist, dass die letztere Bestimmung 
überflüssig ist, so legt er ihr doch jedenfalls eine übertriebene Bedeutung bei 
mit der Behauptung, dass dieselbe „zu dem Ruin fast sämmtlicher Genossen- 
schaften mit beschränkter Haftpflicht oder, was noch schlimmer ist, zu 
falschen Bilancen® führt. Es würde schlimm um diese Genossenschaften 
bestellt sein, wenn eine derartige Ueberschuldung bei ihnen die Regel bilden 
würde. Da sich der Verfasser nicht weiter darüber auslässt, kann vielleicht 
angenommen werden, dass er von unrichtigen thatsächlichen Voraussetzungen 
ausgeht. Unerklärlich soll es sein, aus welchen Motiven der Einzelangriff 
auch für die Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht beibehalten ist — 
nun, es sind die gleichen wie bei der unbeschränkten Haftpflicht massgebend, 
der Umfang der Haftpflicht ist dabei nicht entscheidend. Der Verfasser 
scheint sich nur ganz kleine Haftsummen vorzustellen, die jedes ‚Mitglied 
ohne Weiteres aufzubringen vermag, während thatsächlich nicht wenige Ge- 
nossenschaften bestehen, bei denen die Haftsumme sehr hoch bemessen ist 
und die Leistungsfähigkeit einer Anzahl Mitglieder übersteigt; wollte man 
die Haftsumme immer nur so hoch festsetzen, dass jeder auch der wenig
	        
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