Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

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bedauern ist, dass die bundesgerichtliche Indicatur auf dem Gebiete des 
Staatsrechts nicht berücksichtigt worden ist. Es ist dies kein Vorwurf für 
den Verfasser, indem seine Aufgabe zum Vornherein auf die Administrativ- 
praxis beschränkt war. Der Grund dieser Einschränkung lag in der Be- 
rücksichtigung des Umstandes, dass die bundesgerichtliche Praxis in fort- 
laufenden Publikationen des Bundesgerichts veröffentlicht wird. Freilich 
sind diese Publikationen derart angeschwollen, dass die Orientirung er- 
schwert wird. A. Affolter. 
Frenzel, Georg, Gerichtsassessor, Recht und Rechtssätze. Eine 
Untersuchung über den Rechtsbegriff der positiven 
Rechtswissenschaft. Leipzig. Breitkopff & Härtel. 1892. VI 
u. 111 8. 
Die positive Rechtswissenschaft ermangelt eines, die Anhänger dieser 
Richtung befriedigenden Rechtsbegriffes. So erhebt in jüngster Zeit BERGBOHM 
(Jurisprudenz und Rechtsphilosophie) die Klage, dass die bisher aufgestellten 
Begriffsbestimmungen entweder auf dem naturrechtlichen Boden stehen oder 
doch sonst den strengen Anforderungen der Schule nicht genügen können. 
Die positive Schule deckt sich durchaus nicht mit der historischen 
Schule Savısny’s und Pucata’s. Nach der Meinung unserer Positivisten 
haben diese beiden Koryphäen der Rechtswissenschaft sich von naturrecht- 
lichen Einflüssen nicht ganz frei gemacht; ihre Auffassung, namentlich von 
der Entstehung des Rechts, wurzle noch ganz im Rationalismus. Der heutige 
Positivist erkennt nur das als Recht an, was direct aus Gesetz und Ge- 
wohnheit erkennbar ist; er verneint, dass dem Rechtsgefühle, der Vernunft, 
dem Volksgeiste und wie man diese seelischen Vermögen benennen mag, 
eine, unmittelbar Recht erzeugende Kraft zukomme. Recht ist nur, was 
vom Staate vermittelst der Gesetzgebung aufgestellt und was als geltende 
Gewohnheit anerkannt ist. Von diesem Standpunkte aus gewinnt die Lehre 
von den äusseren Rechtsquellen eine erhöhte Bedeutung. Dem Merkmale 
der Positivität ist eine derart dominirende Stellung anzuweisen, dass die 
übrigen Merkmale zurücktreten und für sich den Rechtsbegriff nicht zu er- 
halten vermögen. 
FRENZEL findet die Positivität in der Gewohnheit. Diese Auffassung 
beschränkt Verfasser aber nicht nur auf das Gewohnheitsrecht, sondern dehnt 
sie auf das gesammte positive Recht, also namentlich auf das Gesetzesrecht 
aus. Der Inhalt eines Gesetzes ist nicht etwa deshalb Recht, weil eine 
Anordnung, ein Geltungswille des Gesetzgebers vorliegt, sondern weil im 
Volke eines jeden Staates die Gewohnheit vorhanden sei, die Gesetze zu 
respectiren. In dieser Gehorsamsgewohnheit bestehe das Recht. Was das 
Recht von anderen Volksgewohnheiten unterscheidet, sei die allgemeine An-
	        
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