— 11 —
bedauern ist, dass die bundesgerichtliche Indicatur auf dem Gebiete des
Staatsrechts nicht berücksichtigt worden ist. Es ist dies kein Vorwurf für
den Verfasser, indem seine Aufgabe zum Vornherein auf die Administrativ-
praxis beschränkt war. Der Grund dieser Einschränkung lag in der Be-
rücksichtigung des Umstandes, dass die bundesgerichtliche Praxis in fort-
laufenden Publikationen des Bundesgerichts veröffentlicht wird. Freilich
sind diese Publikationen derart angeschwollen, dass die Orientirung er-
schwert wird. A. Affolter.
Frenzel, Georg, Gerichtsassessor, Recht und Rechtssätze. Eine
Untersuchung über den Rechtsbegriff der positiven
Rechtswissenschaft. Leipzig. Breitkopff & Härtel. 1892. VI
u. 111 8.
Die positive Rechtswissenschaft ermangelt eines, die Anhänger dieser
Richtung befriedigenden Rechtsbegriffes. So erhebt in jüngster Zeit BERGBOHM
(Jurisprudenz und Rechtsphilosophie) die Klage, dass die bisher aufgestellten
Begriffsbestimmungen entweder auf dem naturrechtlichen Boden stehen oder
doch sonst den strengen Anforderungen der Schule nicht genügen können.
Die positive Schule deckt sich durchaus nicht mit der historischen
Schule Savısny’s und Pucata’s. Nach der Meinung unserer Positivisten
haben diese beiden Koryphäen der Rechtswissenschaft sich von naturrecht-
lichen Einflüssen nicht ganz frei gemacht; ihre Auffassung, namentlich von
der Entstehung des Rechts, wurzle noch ganz im Rationalismus. Der heutige
Positivist erkennt nur das als Recht an, was direct aus Gesetz und Ge-
wohnheit erkennbar ist; er verneint, dass dem Rechtsgefühle, der Vernunft,
dem Volksgeiste und wie man diese seelischen Vermögen benennen mag,
eine, unmittelbar Recht erzeugende Kraft zukomme. Recht ist nur, was
vom Staate vermittelst der Gesetzgebung aufgestellt und was als geltende
Gewohnheit anerkannt ist. Von diesem Standpunkte aus gewinnt die Lehre
von den äusseren Rechtsquellen eine erhöhte Bedeutung. Dem Merkmale
der Positivität ist eine derart dominirende Stellung anzuweisen, dass die
übrigen Merkmale zurücktreten und für sich den Rechtsbegriff nicht zu er-
halten vermögen.
FRENZEL findet die Positivität in der Gewohnheit. Diese Auffassung
beschränkt Verfasser aber nicht nur auf das Gewohnheitsrecht, sondern dehnt
sie auf das gesammte positive Recht, also namentlich auf das Gesetzesrecht
aus. Der Inhalt eines Gesetzes ist nicht etwa deshalb Recht, weil eine
Anordnung, ein Geltungswille des Gesetzgebers vorliegt, sondern weil im
Volke eines jeden Staates die Gewohnheit vorhanden sei, die Gesetze zu
respectiren. In dieser Gehorsamsgewohnheit bestehe das Recht. Was das
Recht von anderen Volksgewohnheiten unterscheidet, sei die allgemeine An-