Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

-6 — 
für den Menschen eine rechtliche Nothwendigkeit des Essens und 
Verdauens, des Athmens und der Herzthätigkeit aufstellen. Ein 
Beweis, weshalb das im Staate organisirte Volk nicht fähig sein 
sollte, das von ihm beherrschte Gebiet aufzugeben, zu vertauschen, 
weshalb ein solcher Tausch so unmöglich sein sollte, wie ein 
Wechsel der Leiber zwischen zwei Menschen, ist nicht erbracht. 
Jedenfalls wird im völkerrechtlichen Verkehre von den Staaten 
über ihr Gebiet verfügt, wie der Eigenthümer über sein Grund- 
stück verfügt und die angeblich wissenschaftlich unmögliche An- 
schauung von dem Staat als Subjekt, dem Gebiete als Objekt des 
Rechtes ist ohne Frage diejenige, welche die Praxis des inter- 
nationalen Verkehrs beherrscht. Diese Ansicht wird denn auch 
von hervorragenden Lehrern des Staatsrechtes vertreten. LABAND 
nennt die Gebietshoheit ein „staatsrechtliches Sachenrecht“ und 
GERBER bezeichnet das Staatsgebiet als „das sachliche Objekt der 
Staatsherrschaft“. Gegen diese Auffassung des Gebietes kann 
man auch nicht den Umstand geltend machen, dass das Staats- 
gebietsrecht die Staatengesellschaft voraussetzt. Mit Recht sagt 
FRickEr®), dass „alles Recht ein Verhältniss von Subjekt zu Sub- 
jekt‘“‘ und auch „das Eigenthum ein Verhältniss zu anderen Per- 
sonen in Beziehung auf eine Sache“ ist. So soll das Staats- 
gebietsrecht nach Fricker „ein Verhältniss des Staates zu anderen 
Staaten in Bezug auf das Gebiet“ sein. Welches aber sind die 
Wirkungen des dem Staate zugeschriebenen dinglichen Reclıtes? 
Offenbar kann man ein neben dem Privateigenthum an Grund 
und Boden bestehendes Recht des Staates an der ‚„universitas 
agrorum‘“ nur dann annehmen, wenn sich Befugnisse der Staats- 
gewalt zur Verfügung über dieselbe nachweisen lassen, welche in 
dem Herrscherrecht über die Unterthanen keine Erklärung finden. 
Der nächstliegende Gedanke ist, das Recht der Expropriation auf 
ein dingliches Recht der Staatsgewalt an Grund und Boden zu- 
6) Vom Staatsgebiet. Tübingen 1867.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.