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das Argument aneignen, dass das Recht nicht aus dem Vertrage,
sondern vielmehr der Vertrag aus dem Rechte zu erklären sei.
Denn es giebt gewichtige Stimmen, welche den Grund des Ver-
trages nicht in der Rechtsordnung sehen, sondern einwenden, die
Nothwendigkeit sein Wort zu halten, sei für den Menschen eine
psychologische, nicht eine rechtliche Thatsache; die Geltung der
Verträge beruhe auf einer Kraft, die neben dem positiven Rechte
und davon unabhängig wirksam sei; die Verbindlichkeit des Ver-
trages werde von der Rechtsordnung nicht geschaffen, sondern
nur gesteigert°').
Will man die naturrechtliche Doctrin mit Erfolg bekämpfen,
so muss man vor Allem den Kern von Wahrheit, der in ihr ver-
borgen liegt, anerkennen. „Es war einseitig und ungenau, wenn
die Naturrechtslehre früherhin alles Recht aus einem Vertrage
herstammen liess. Aber insofern kann doch in dieser seltsamen
Fassung ein richtiger Gedanke zum Ausdrucke kommen, als alles
Recht ein Compromiss der Interessen voraussetzt. Jede Rechts-
bildung ist ein zwei- oder mehrseitiger Act; sie setzt eine Ver-
änderung in der Seele zweier Menschen voraus.“ So THox®?) im
Gegensatze zu IHERING ®°), der annimmt, der einseitige Act der
Selbstbeschränkung der Gewalt könne das Recht erzeugen.
3. Auch beim Patentrecht handelt es sich um ein Compro-
miss 3?) zwischen dem Erfinder und der Allgemeinheit, um eine
Versöhnung widerstreitender Interessen, um ein „sich Vertragen“,
also in diesem Sinne um einen zweiseitigen Act. Bei der juristi-
schen Figur des Vertrages liegt gleichfalls eine zweiseitiger Act°°)
sı) So Pernick in Grünhut'’s Ztschr., Bd. VII, S. 487 ff. unter Hinweis
auf BierLine, Grundbegriffe, Bd. I, S.5. Lorze, Mikrokosmus, Bd. 3, S. 413.
Rüneuın, Reden und Aufsätze, Bd. I, S. 70. Kant, Rechtslehre, S. 19. Vgl.
auch Häneı, Staatsrecht, Bd. I, S. 35.
39) In Grünhut’s Ztschr., Bd. VII, 8. 241.
8) Zweck im Rechte, Bd. I.
%) ReuLing, Die chemische Industrie, Jahrg. 1892, S. 339.
#5) Im Gegensatze zum sog. Gesammtacte vgl. Bınnıme, Die Gründung