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Und wenn weiter gefragt wurde: wie solle es mit den Sachen
werden, welche innerhalb einer bestimmten Frist bei Vermeidung
der Verjährung anhängig gemacht werden müssten, z. B. in Ent-
eignungs-, Versicherungs-, Steuer-Sachen; — lasse sich da die
Frist wahren, wenn man vor ein (#ericht lade, welches noch nicht
vorhanden sei? — so war zu antworten: Gefährlich sei es nicht
minder, kurz vor dem Jurisdiktionsveränderungstermine zu laden
vor das alte Gericht, als zu laden vor das neue Gericht; denn
wenn vor das alte Gericht Tilsit zu einem Verhandlungstermine
des Jahres 1885 geladen und nun in judicando angenommen
würde, dass das alte Gericht nicht zuständig sei, so würde der
Kläger seines Rechts verlustig. —
Hier zeigt sich die grosse materielle Bedeutsamkeit der
Kontroverse, welche weiter unten eingehend erörtert werden
soll. —
Indem das Landgericht Tilsit die Akten über sämmtliche
laufende Civilprozesse aus den Amtsgerichtsbezirken Memel, Prö-
kuls, Heydekrug, Russ zum 1. Januar 1885 an das mit diesem
Tage ins Leben tretende Landgericht Memel (— im Dezember
1884 etwa zu Händen des Amtsgerichts Memel —) abgab, be-
folgte es die oben abgedruckte Vorschrift der Allg. Verfügung
vom 12. Mai 1884 J.-M.-Bl. S. 93, wie ihm oblag, und setzte
gebührender Weise das Landgericht Memel in den Stand,. über
seine Zuständigkeit die Entscheidung zu treffen, welche demselben
entzogen worden wäre, wenn das Landgericht Tilsit einseitig und
gewissermassen hinter dem Rücken des Landgerichts Memel über
die Zuständigkeitsfrage entschieden und dieselbe in dem Sinne,
dass für die rechtshängigen Sachen das alte Landgericht zuständig
bleibe, beantwortet hättee — Einer ausdrücklichen oder still-
schweigenden Prorogation auf das Landgericht Tilsit hatte das
Landgericht Memel stattzugeben, sofern 1. es sich nicht um an-
dere als vermögensrechtliche Ansprüche oder um einen ausschliess-
lichen Gerichtsstand handelte, — und 2. in der Sache nicht schon