Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

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geringer ist, als man nach dem Wortlaute des Gesetzes vom 1. Juni 
1870 annehmen möchte. 
1. Der erste jener vier Sätze ist in vollem Umfange nur be- 
züglich des Erwerbs einer anderen Staatsangehörigkeit innerhalb 
des Reichs anerkannt: ‚Die Aufnahmerurkunde“, heisst es im $7 
des Gesetzes, „wird jedem Angehörigen eines anderen Bundes- 
staats ertheilt, welcher um dieselbe nachsucht und nachweisst, 
dass er in dem Bundesstaate, in welchem er die Aufnahme nach- 
sucht, sich niedergelassen hat.‘ Die Aufnahme kann nur versagt 
werden, sofern nach den Bestimmungen des Freizügigkeitsgesetzes 
die Abweisung eines neu anziehenden oder die Versagung der 
Fortsetzung des Aufenthalts zulässig ist. In diesem Falle also, 
wo das Princip der freien Entschliessung eines souveränen Staats 
über die Annahme oder Abweisung eines neuen Bürgers in Folge 
der Bestimmungen der Reichsverfassung ausser Kraft tritt, ist 
der Erwerb der Staatsangehörigkeit die unmittelbare Folge der 
Niederlassung im Staatsgebiet. Eine wichtige Anerkennung des 
Princips, dass, wo nicht ein verneinender Rechtssatz entgegen- 
steht, die Einwanderung auch die Einbürgerung zur Folge hat, 
dass, wo nicht der Wille des Einwandernden oder der Regierung 
des Niederlassungsorts diese Folge durch ausdrücklichen Vorbe- 
halt ausschliesst, die Aufnahme in das Domicil des Volks auch 
die Aufnahme in die Corporation des Volks herbeiführt. Hier- 
aus ergiebt sich auch das Verständniss des $ 19 des Gesetzes: 
„der Wohnsitz innerhalb eines Bundesstaats begründet für sich 
allein die Staatsangehörigkeit nicht.“ Dieser Satz soll die Frei- 
heit der Staatsregierung wahren, den Aufenthalt der Ausländer 
zu dulden, ohne ihn doch als Volksgenossen aufzunehmen. Dieses 
Veto der Staatsgewalt gegen die Einbürgerung des Fremden ist 
aus dem Gesichtspunkte der Souveränetät unentbehrlich. Die 
schwache Seite des deutschen Gesetzes ist aber diese, das das- 
selbe auch dem Eingewanderten die Möglichkeit gewährt, den 
Wohnsitz des Volks, alle Vortheile desselben und seines Staats-
	        
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