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Vier Schriften, genauer fünf, — denn der Beitrag REGELSBERGERS enthält
unter einem Titel zwei Aufsätze, — bilden die Spende, und es wird dem
Leser nicht zweifelhaft sein, dass dieselbe des Gefeierten nicht minder wie
der Geber würdig ist.
Betrachten wir die einzelnen Arbeiten näher, so wird den Publizisten
vor allem der Aufsatz von FRENSDoRFF: „Die Aufnahme des allgemeinen
Wahlrechts in das öffentliche Recht Deutschlands“ in hohem Grade fesseln.
Bietet F. doch damit zum ersten Male eine eingehende quellenmässige Dar-
stellung der Entstehung und Einführung des allgemeinen gleichen Wahlrechts
in Deutschland und verbreitet so helles Licht über eine Frage, welche gerade
in der Gegenwart, in der die Gefahren des allgemeinen Stimmrechts grell
zu Tage getreten sind, von grösster praktischer Bedeutung und auf dem
Gebiete des öffentlichen Rechts jetzt wohl die wichtigste ist.
Die Abhandlung zerfällt in drei Theile: der erste behandelt die Vor-
gänge bei der Berathung des Wahlgesetzes im Frankfurter Parlament 1849,
der zweite schildert die Verhandlungen über Art. 20 der Bundesverfassung
im konstituirenden Reichstage des norddeutschen Bundes von 1867, der
dritte giebt eine Zusammenfassung, Vergleichung und Beurtheilung beider
Begebenheiten. Das Ergebniss ist bemerkenswerth: beide Male ist das Wahl-
gesetz nicht um seiner selbst, seiner eigenen Zweckmässigkeit willen zu Stande
gekommen, sondern in Rücksicht auf ein anderes, in beiden Fällen gleich-
artiges Moment: 1849 um zu einem Abschluss der Reichsverfassung zu ge-
langen, 1867 um die norddeutsche Bundesverfassung nicht scheitern zu lassen
(S. 198). Und über die Einführung des allgemeinen Wahlrechts in die nord-
deutsche Bundesverfassung äussert sich F. treffend: „War das Frankfurter
Wahlgesetz unter dem Zwange verabschiedet, dass etwas zu Stande kommen
müsse, so ward es nun aufgenommen, nicht, weil es sich in der Zwischenzeit
bewährt hätte oder auch nur in theoretischer Beurtheilung tüchtig befunden
wäre, sondern weil es da war. Es lag parat und im Detail formulirt vor;
war schon einmal Gegenstand einer umfassenden Einigung geworden, und da
man rasch etwas fertiges brauchte, ohne doch etwas besseres zur Hand zu
haben, so griff man zu diesem* (S. 203). In der That wird diese Aus-
führung bestätigt durch die S. 195 mitgetheilte Motivirung der Aufnahme
des neuen Wahlsystems seitens des Grafen Bismarck. Der von F. selbst
ausgesprochenen und im Anschluss an die Rede Marays im Frankfurter
Parlament begründeten Verurtheilung des allgemeinen und gleichen Wahl-
rechts wird jeder Unbefangene nur beipflichten können.
Die Abhandlung von EHRENBERG erörtert die Verantwortlichkeit der
Versicherungsgesellschaften für ihre Agenten. Bekanntlich herrscht lebhafter
Streit, ob die Versicherungsagenten rechtlich als unabhängige zwischen den
Parteien stehende Makler, wie die Versicherungsgesellschaften wollen, oder
aber als Geschäftsgehülfen der letzteren, wie es dem Verkehrsleben und dem
Interesse des Publikums entspricht, aufzufassen sind. E. spricht sich mit