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Interesse, dem Reflexrecht. In beiden Beziehungen entfernt sich der
Verf. nicht wesentlich von den sonst auch üblichen Formulirungen und sieht
sich auch genöthigt, sich mit dem üblichen Ergebnisse zufrieden zu geben,
dass nämlich die Grenzlinie hier überall „nicht leicht zu ziehen“ oder „mit
Sicherheit kaum zu ziehen“ ist (S. 60, 66). Die Unterscheidung von formellen
und materiellen Kriterien wird dabei schärfer durchgeführt als es sonst wohl
zu geschehen pflegt; doch können wir auf manche dadurch angeregte Einzel-
frage nicht weiter eingehen. Nur einen Punkt möchte ich erwähnen. S. 61
findet sich der Satz „Publizistischer Rechtsanspruch kann sich in privat-
rechtlichen verwandeln“. Beispiele: die Geldstrafe, welche gegen den Erb-
lasser rechtskräftig erkannt worden ist, wird ein privatrechtlicher Anspruch
des Staates gegen die Erben; umgekehrt wird der Gehaltsrückstand ein
privatrechtlicher Anspruch der Erben des Beamten gegen den Staat. Das
scheint mir nicht richtig zu sein. Der Grund „da öffentliches Recht nicht
Gegenstand des Erbrechtes ist* würde ja eher beweisen, dass der Anspruch
überhaupt nicht übergehen kann. Geht er aber über, so ist nicht einzusehen,
warum er verwandelt werden soll. —
Der Schluss des Allgemeinen Theils führt uns hinüber in das höchst
eigenartige System, welches schon für den ersten Blick dem Buch sein Ge-
präge gibt, in das System der Status.
Die Grundlage dafür hat der Verf. schon in seinen Untersuchungen
über das subjektive Öffentliche Recht geschaffen. Dieses Recht ruht un-
mittelbar auf der Persönlichkeit, die Persönlichkeit ist aber „eine das Indi-
viduum qualifizirende Relation zum Staate”, also ein Status „in dem Sinne,
wie die spätere römische Jurisprudenz den status hominis auffasste, als die
einem bestimmten Menschen oder einer bestimmten Personenklasse zukom-
mende Rechtsstellung“ (8.78). Jene „das Individuum qualifizirende Relation“
ist eine „variable Grösse“. Sie kann erweitert oder vermindert werden.
Dadurch ergiebt sich die Verschiedenheit der Status. Der Verf. unter-
scheidet: negativer Status (status libertatis, positiver Status
(status oivitatis) und aktiver Status (Status der aktiven Civität). Die
Darstellung dieser Status sammt den aus jedem erwachsenden Ansprüchen
füllt den ersten Abschnitt (S. 89—183), aber auch die folgenden Abschnitte
kommen immer wieder auf diesen Gedankenkreis zurück.
Die Manchfaltigkeit und der beständige Wechsel des Status ist eine
nothwendige Folge davon, dass im Gebiete des Öffentlichen Rechtes das
Zwischenglied fehlt, welches im Gebiete des Civilrechtes durch das Dürfen
bezeichnet wird. Dort bleibt die Persönlichkeit immer dieselbe; Rechts-
verhältnisse, Rechte und Pflichten entstehen und vergehen für sie; der An-
spruch auf Rechtsschutz schliesst sich diesen an. Hier aber steht die Per-
sönlichkeit, dem Staate unmittelbar gegenüber mit ihren Ansprüchen auf
Anerkennung; Wechsel geht auch hier vor; jeder Wechsel bedeutet aber
dann immer eine neue „Qualifikation“ der Persönlichkeit selbst.