Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

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Wie weit die damit gegebene Auffassung von der sonst üblichen ab- 
weicht, zeigt sich sofort bei einer Betrachtung des ersten Status, des nega- 
tiven. Der negative Status entsteht dadurch, dass der Staat seine Herr- 
schaft gegenüber dem Einzelnen einschränkt und eine „staatsfreie Sphäre“ 
desselben anerkennt (S. 80). Den Gegensatz bildet der passive Status, 
der status subjectionis (S. 81); dieser dehnt sich aus „soweit das befehlende 
und zwingende Staatsgebot reicht“ und ebensoweit ist „die Persönlichkeit 
des Individuums ausgeschlossen“ (S 79, 81). Der negative Status ist dem- 
nach das Gebiet der anerkannten Persönlichkeit. Beide Status sind „kom- 
plementäre Grössen. Mit dem Wachsthum der individuellen Persönlichkeit 
pimmt der passive Status ab“ (S. 81). „Der negative Status ist nun dadurch 
geschützt, dass der Einzelne einen Anspruch auf seine Anerkennung hat und 
den Staatsbehörden jede Störung desselben, d. h. jede Auflegung eines nicht 
gesetzlich begründeten Befehles oder Zwanges verboten ist* (8. 99). 
Gedacht ist dabei in erster Linie an die sogenannten Freiheitsrechte 
(S.89f.). Wir stellen uns das daraus sich ergebende Verhältniss herkömm- 
licher Weise anders vor. Nicht eine staatsfreie und eine unfreie Sphäre 
des Individuums stehen sich getrennt gegenüber, sondern der Unterthan ist 
dem Staate stets unterworfen, aber eben unterworfen nur sofern der Staat 
in verfassungsmässiger Weise ihm gegenübertritt. Der Unterthan ist nie 
staatsfrei, in jedem Augenblick kann er mit der Staatsgewalt in Berührung 
kommen, aber andererseits hört er nicht auf Persönlichkeit und verfassungs- 
mässig frei zu sein, auch wenn ihm gesetzmässig etwas befohlen wird. Die 
beiden getrennten Status fallen uns zusammen in dem Begriff der verfassungs- 
mässigen Freiheit. Wird diese Freiheit verletzt, so können dem Unterthanen 
Rechte gegeben sein, um die Störung zu beseitigen, Verwaltungsklage, Rechts- 
beschwerde, Schadensersatzanspruch. Das sind keine unmittelbaren und 
selbstverständlichen Wirkungen der Freiheit, sondern ausdrücklich und be- 
sonders geordnete Rechte für sich, die an die Verletzung der Freiheit 
geknüpft sind. Auch der Verf. erkennt, dass das nicht mehr zu seinem 
negativen Status gehört: „Dieser Anspruch (auf Beseitigung der Störung) 
gehört wie jeder auf ein bestimmtes staatliches Verhalten zum positiven 
Status des Individuums“ (8. 100). 
Der negative Status bleibt nun aber nicht einfach bestehen, so wie er 
aus den Freiheitsrechten sich. ergibt. Es finden Verschiebungen statt im 
Einzelfall. Eine Erweiterung des negativen Status knüpft sich vor Allem 
an rechtsbegründende Verwaltungsakte: Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, 
Eisenbahnkonzessionen, Verleihung von Bergwerkseigenthum, gewerbepolizei- 
liche Erlaubnisse aller Art (8.104 ff). Diesem „privilegirten negativen Status“ 
entsprechen auf der anderen Seite „Minderungen des negativen Status“. 
Eine Hauptform der Statusminderung ist die Strafe (8.106). Der Verf. 
hat dabei vor Allem die Freiheitsstrafe im Auge; sie bedeutet „ein Ausser- 
kraftsetzen der Fähigkeit, die Normen des öffentlichen Rechts zum Schutze
	        
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