Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

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teten Wirkungen, werde ungerecht und rufe das hervor, was man mit ihr 
verhüten wolle. Dem gegenüber trete uns in England an Stelle einer schwer- 
fälligen Institution mit tief in die Bewegungsfreiheit des Individuums ein- 
greifenden Massnahmen die Polizeiaufsicht entgegen in Beschränkung auf die 
Anmeldepflicht, die aber controliert und durchgeführt werde mittels eines 
wohlorganisierten Polizeiapparats und so eine thatsächliche Beaufsichtigung 
im Gefolge habe, und die begleitet werde von einer werkthätigen, weit ver- 
zweigten Schutzfürsorge, dem sog. convict supervision office anvertraut. Diese 
mit Discretion und Energie ihres Amtes waltende Behörde habe auf die un- 
verbesserlichen Naturen abschreckend, auf die besserungsfähigen Vertrauen 
erweckend gewirkt und eine bedeutende Abnahme der Verurtheilung zur 
Strafknechtschaft herbeigeführt. 
De lege ferenda hält FunHr es für das Nothwendigste, dass man in Zu- 
kunft nicht vor allem das Verbrechen, sondern den Verbrecher zum Objecte 
der strafrechtlichen Behandlung mache, weniger die That als den Thäter be- 
rücksichtige. 
Um die angeregten Gedanken durchführen zu können, hält es Funr für 
dringend erforderlich, dass bei der Auswahl, Ausbildung und Vorbereitung 
der Strafrichter mit der grössten Sorgfalt vorgegangen werde. Er fordert 
daher Trennung der Strafjustiz von der Civiljustiz, eine gründlichere Vor- 
bildung der Strafrichter zu solchen durch Ausdehnung des Studiums auf 
Psychologie, Psychiatrie, Sociologie und Socialpolitik, Polizei- und Gefängniss- 
wesen. Der Verfasser weist dem Strafrichter ausser seiner richterlichen 
Function noch das Amt der Criminalpolizei und andrerseits die Fürsorge für 
die entlassenen Sträflinge zu. Er will ihn weiter zum Vorsteher der in 
seinem Bezirke befindlichen Strafanstalten und zum Mitglied des Strafvoll- 
zugsamts in allen die von ihm abgeurtheilten und die in seinem Bezirke 
unterstützungsberechtigten Personen betreffenden Sachen gemacht wissen. 
Endlich weist er ihm noch die Entscheidungen über Zwangserziehung ver- 
wahrloster Kinder, das Armenwesen und die Functionen in der socialpoli- 
tischen Gesetzgebung zu, welche heute die Verwaltungsbehörden inne haben. 
Entschiedenes Vorgehen gegen die Landstreicherei ist schliesslich das letzte, was 
der Verfasser als unbedingt erforderlich hinstellt, denn der Landstreicher ist 
ihm ein Individuum, welches durch seinen Müssiggang, seine ungenügende 
Ernährung, durch seine ganze Art zu leben der moralischen und physischen 
Degeneration, der Versuchung zur Begehung von Eigenthumsverbrechen ins- 
besondere in hohem Grade ausgesetzt ist, nach längerer Dauer des Zustandes 
dem Stromerthum nicht mehr entrissen werden kann. Im Stromerthum ver- 
liere sich ein grosser Theil der schwersten Verbrecher, es bilde eine stete 
Gefahr für die öffentliche Sicherheit besonders des flachen Landes, welches 
der Bettelei der Stromer preisgegeben sei. 
Man wird wohl kaum fehl gehen, wenn man — von Einzelheiten selbst- 
verständlich abgesehen — die Ansicht ausspricht, dass in früherer oder
	        
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