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wie in Baden — Handlungen der Beurtheilung des Staatsgerichtshofes nach
dem Massstabe der Staatswohlfahrt überwiesen werden. Endlich wird auch
die Frage der Verautwortlichkeit des Reichskanzlers erörtert, in welcher
Beziehung der Verfasser die Existenz einer rechtlichen Verantwortlichkeit
negirt. De lege ferenda schliessen sich Ausführungen über die Gestaltung
einer ministeriellen Verantwortlichkeit von einem Reichsstaatsgerichts-
hof an. Schliesslich ist noch nachträglich zu bemerken, dass auch das
historische Material von Pıstorıus einer sorgfältigen Würdigung unter-
zogen wird.
Die 1893 erschienene Schrift von Lucz entbehrt der Selbstständigkeit,
indem sie in weit höherem Grade als die geringe Zahl der Zitate es ver-
muthen lässt, in allen wesentlichen Fragen sich dem Ergebnisse der Unter-
suchungen von Pıstorms anschliesst. Wenn sich z. B. der Verfasser S. 50
den Ausdruck „staatsrechtliche Strafe“ aneignet, und in einer Note, in wel-
cher eine Stelle aus v. GERBER’S Grundzügen zitirt wird, hinzufügt: „Vrgl.
hierüber auch Pistorıus a. a. O. S. 179“, so hat der Leser wohl kaum den
Eindruck, dass es sich um eine von Pıstorıus geschaffene Terminologie
handelt. Nur in Fragen von sekundärer Bedeutung geht J,ucz ab und zu
seinen eigenen Weg. So hält er die Zulässigkeit der Anklage schon für den
Fall einfacher Gesetzesverletzung räthlich, und entscheidet sich — im Gegen-
satz zu Pıstorius — dafür, dass durch die blosse Thatsache der Fassung des
Anklagebeschlusses der Minister von seinem Amte suspendirt werde.
Czernowitz. Prof. Dr. J. Hauke.
Eugen Schlief: „Der Friede in Europa“. Eine völkerrechtlich-
politische Studie. Leipzig 1892. Veit & Co. X und 5ll S.
Eine ganz zutreffende Beurtheilung des vorliegenden Werkes übt der
Verf. selbst in der Vorrede, indem er für seine Vorschläge gewisser prak-
tischer Rechtsinstitute nicht den gleichen Werth in Anspruch nimmt, wie
für die allgemeine theoretische Grundanschauung, und indem er zugesteht,
dass sich die thatsächliche Entwicklung der Dinge höchst wahrscheinlich
ganz anders gestalten wird, als er andeutet. In jener allgemeinen theo-
retischen Grundanschauung, die Ref. vollkommen theilt, bietet nun aber der
Verf. nicht eigentlich wissenschaftlich Neues oder Förderndes; ihr Werth
liegt vielmehr in der ausführlichen Zusammenfassung und eingehenden Dar-
legung aller Erwägungen, welche für die Möglichkeit und Nothwendigkeit
einer „Friedfertigung“ unserer Kulturwelt sprechen. ScHLiEF wendet sich,
wie er selbst sagt, an „die urwüchsige Empfänglichkeit des gesunden
Menschenverstandes“; er will die öffentliche Meinung für sein grosses Ziel
und die ihm gangbar scheinenden Wege dahin gewinnen. Aber wenn ein
Buch von etlichen dreissig Druckbogen solcher Aufgabe irgendwie gewachsen
sein soll, dann muss es doch anders geschrieben sein, als das vorliegende.
Wie in unserer deutschen Fachlitteratur überhaupt, so muss noch besonders