— 316 —
liesse, liegt auf der Hand. Aber glaubt SchLier im Ernst diese Machtfragen
mit einer Handvoll Vernunftgründen aus der Welt schaffen zu können ?
Wenn es damit gethan wäre, so gäbe es schon längst keine Kriege mehr.
Und jene Frage wie überhaupt die ganze Stabilität des Gebiets bezeichnen
keineswegs die einzigen Punkte, wo die Interessengegensätze der euröpäischen
Staaten noch nicht zur Form des Rechtsstreits herangereift sind. Ehe dies
erreicht ist, muss die Entwicklung der Interessengemeinschaft, jener Soli-
darität der Kulturinteressen noch ein gut’ Stück Weges zurückgelegt haben.
Aber diese Entwicklung ist in ununterbrochenem und unaufhaltsamem Gange,
besonders unter der zwingenden Triebkraft der wirthschaftlichen Bedürf-
nisse; vielfach freilich in unscheinbarer Gestalt und vor allem unabhängig
von den zweckbewussten Plänen der Individuen. Die Bedeutung dieser aus
der Logik der Thatsachen fliessenden Entwicklung, die der bewussten
Organisationstbätigkeit wohl noch lange vorarbeiten muss, die aber auch
schon zu Anfängen solcher Thätigkeit geführt hat, unterschätzt ScHLIEF
einigermassen. Immerhin strebt sein Werk guten und schliesslich auch
praktischen Zielen zu; und wenn auch sein Ruf an die Staatsregierungen,
die Sache sofort amtlich zu betreiben, verfrübt sein dürfte, so kann man
seinem Appell an die öffentliche Meinung der Kulturvölker nur besten Er-
folg wünschen. Dr. Hugo Preuss.
Dr. Ludwig Schiffner, Professor an der Universität Innsbruck. Die ge-
planten Höfebücher für Deutschtirol. Berlin, Carl
Heymann’s Verlag, 1892. Preis 1 M. 60 Pf. — 76 Seiten.
Das österreichische Reichsgesetz vom 1. April 1889, betreffend die
Einführung besonderer Erbteilungsvorschriften für landwirtschaftliche Be-
sitzungen mittlerer Grösse überlässt die Regelung einer Reihe von Punkten
der Landesgesetzgebung, ja es tritt ($ 17) selbst erst zugleich mit den über
diesen Gegenstand zu erlassenden landesgesetzlichen Vorschriften in Kraft.
Die Regierung hat nun zunächst dem tiroler Landtag zwei Entwürfe vor-
gelegt, den eines Anerbengesetzes und den eines Gesetzes über die Einfüh-
rung von Höfebüchern. Letzterer Entwurf, der zwar nicht formell als Aus-
führung des Reichsgesetzes erscheint, aber materiell den durch dassselbe ge-
schaffenen Rechtszustand zur Voraussetzung hat, wird von Professor ScHIFFNER
in der vorliegenden Abhandlung eingehend besprochen. Mit der Tendenz
der Gesetzgebung, die Parzellirung des mittleren Grundbesitzes hintanzuhalten,
erklärt er sich einverstanden ; auch hält er das Institut der Höfebücher, weil
es den Grundbesitz konstatiert, zur Conservirung desselben für geeignet. Da-
gegen bezeichnet er es aus anderen Gründen für einen Nachtheil, dass man
sich mit der Einführung von Höfebüchern begnügt. Diese sind nämlich, wie
er S. 19-50 im Detail ausführt, ein Zwitterding zwischen blossen statisti-
schen Nachweisungen und Grundbüchern, weil Eintragungen in dieselben in
gewisser Beziehung auf privatrechtliche Verhältnisse von Einfluss sind,