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politisch anderweit engagirten Mehrheit des Reichstags meist nicht gefunden
haben, so darf es nicht Anstoss erregen, wenn in seiner Kritik des fertigen
Gesetzes sich hier und da noch ein Widerhall jener Kämpfe vernehmen lässt,
welche vor der Annahme einzelner s. E. unzweckmässiger Bestimmungen
erfolgt sind. R. Sypow meint aber in seiner Besprechung obiger Schrift
(Juristisches Litteraturblatt 1893, No. 6, p. 105), es dürfe nach Bar’ Erleb-
nissen bei der Verabschiedung des Gesetzes nicht Wunder nehmen, dass er
bei der Interpretation des Gesetzes nicht ganz unbefangen erscheine.
v. Bar kann diesen Vorwurf zurückweisen und jeder Kritiker seiner Schrift
mit ihm, zumal Sypow, auf keine Stelle hinweist, wo v. Bar sich durch Be-
fangenheit in seine Sonderanschauungen zu einer dem Geiste und Wortlaute
des Gesetzes zuwiderlaufenden Auslegung hat verleiten lassen. Sypow macht
übrigens in seinen kritischen Gängen mit „der Litteratur des Reichs-Tele-
graphengesetzes*, in denen er ausser der v. Bar'schen Schrift auch den Ar-
beiten des Unterzeichneten über das gleiche Rechtsgebiet der Ehre einer
eingehenden Beurtheilung theilhaftig werden lässt, die Bemerkung, es hätten
„eigenthümlicher Weise ausschliesslich Männer zu dem fertigen Gesetze
das Wort ergriffen, welche während der Vorstadien des Gesetzes zu seinen
Gegnern zählten“. Diese bibliographisch wichtige Bemerkung bedarf einer
Berichtigung. Bereits vor dem Erscheinen von Sypow’s Kritik hat der Wirkl.
Geh. Oberpostrath FiscHer einen wissenschaftlich sehr bedeutsamen, aber
den Standpunkt der Telegraphenverwaltung betonenden Aufsatz in Schmoller’s
Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirthschaft Jg. 16 (1892),
Heft 3, S. 1—44 veröffentlicht; ferner hat der Reichsgerichtsrath STENGLEIN
in seinen strafrechtlichen Nebengesetzen des Deutschen Reichs, Berlin 1893
auf S. 304—10 dem Telegraphengesetz eine eingehende Auslegung gewidmet;
endlich hat der Rechtsanwalt FuLp im Gerichtssaal Band 48, Heft 1, S. 61
bis 66 die strafrechtlichen Vorschriften dieses Gesetzes erörtert.
Leipzig. nn Dr. G. Maas.
F. €. Huber, Prof. Dr. Die geschichtliche Entwickelung
des modernen Verkehrs. Tübingen 1893. (Verlag der
H. Laupp’schen Buchhandlung.) VI, [I] und 232 S.
Hvser will nach Massgabe der Gesammt-Entwickelung die \Vechsel-
beziehung von Technik und Organisation in das richtige Verhältniss setzen,
aus dem das Werden und aus den Bedingungen des Entstehens das Gewor-
dene . . . offen legen, neue Gesichtspunkte aufstellen und zu weiteren Spezial-
forschungen die Anregung geben. Eine schöne und wichtige Aufgabe! —
Mit dem Rüstzeug volkswirthschaftlicher Anschauungen und Normen aus-
gerüstet tritt er in dieser Schrift selbständig an die entscheidenden Fragen
der Entwickelungsgeschichte des Verkehrs heran, stellt sie vielfach in
ihrer Fassung richtig und beantwortet sie scharfsinnig und überzeugend.
Seine Untersuchungen beschäftigen sich vorwiegend mit der Geschichte des