Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

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dass sich vor der staatlichen Behörde im Forstregulirungs- 
verfahren zwei Nachbarschaften über die Modalitäten der Her- 
stellung einer Waldeinhegung geeinigt haben. Die Repräsentation 
der einen ‚„Nachbarschaft‘‘ deckte sich zufällig mit jener der 
gleichnamigen staatlichen Gemeinde, die andere war durch 
Genossenschaftsmitglieder repräsentirt, welche keine Gemeinde- 
organe waren. Behörden wie Verwaltungsgericht haben, die Nach- 
barschaft mit der staatlichen Gemeinde verwechselnd, sich in gar 
keine Untersuchung mehr eingelassen, ob diese zweite Nachbarschaft 
nicht nach Maassgabe des Rechtes der Markgenossenschaft giltig 
repräsentirt war, sondern dieselbe von jeder Verpflichtung losgezählt 
und diese ganz auf die als giltig vertreten behandelte staatliche Ge- 
meinde überwälzt. Derartige höchst bedenkliche und das Rechtsgefühl 
schwer verletzende Entscheidungen würden sıch mindern, wenn man 
bei Feststellung der historischen Privatrechtstitel die vorhandenen, 
wenn auch nicht zulänglichen Hilfsmittel der Rechtsgeschichte 
gründlich erschöpfen wollte. Freilich bedürfte es überdies rechts- 
historischen Verständnisses schon bei der Erforschung des That- 
bestandes des Privatrechtstitels und seiner Geschichte. Kann 
man aber bei aller Sorgfalt zu einem das Rechtsgefühl befriedigenden 
Resultate nicht gelangen, danrı muss man es aufgeben, mit allerlei 
Künsteleien, mit willkürlicher Unterschiebung von Rechtssubjecten, 
welche dem alten Recht gar nicht bekannt waren, an Stelle der 
ursprünglich Betheiligten, sowie durch gewaltsame Unterwerfung 
dieser Rechtsverhältnisse unter die Bestimmungen des modernen 
Privatrechts den Fortbestand eines historischen Privatrechtstitels 
zu erzwingen. Dann hat eben die Regelung der Pflichtverhält- 
nisse, wie sie die neue Rechtsordnung, abgesehen von dem Falle 
bestehender Privatrechtstitel, vorsieht, dann hat die „allgemeine 
gesetzliche Verbindlichkeit‘ zur Geltung zu kommen. Fehlt es 
an einer solchen Regelung, dann hat sie der Gesetzgeber nach 
Gerechtigkeit, nicht aber der Richter im Wege der Vergewaltigung 
des Rechtes vorzunehmen.
	        
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