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nicht ausgedehnt werden??), Die Thatsache allein, dass einem
22) Aus diesen im Texte angeführten Gründen kann der Unterscheidung
zwischen Verfügung und Entscheidung, zwischen einfachem Mandate und
Entscheidung auf Grund eines Verfahrens mit Vernehmlassung der Parteien
auf deren Erörterung BERNATZIK a. a. O. S. 11 u. 16 so viel Scharfsinn und
Mühe verwendet hat, für die Frage nach der Präclusionsfähigkeit öffentlicher
Interessen durch Verwaltungsacte entscheidende Bedeutung nicht beigelegt
werden. Auch wer bei der Lösung dieser Frage de lege ferenda völlig freie
Hand hätte, müsste es ablehnen, die Bestimmung der Grenze der materiellen
Rechtskraft zu Gunsten des Einzelnen und zum Nachtheile gesetzlich aner-
kannter öffentlicher Interessen auf den zufälligen von dem Gesetzgeber meist
nicht bewusst herbeigeführten Umstand aufzubauen, ob der Verwaltungs-
beamte vor dem Erlass einer Verfügung eine Sentenz zu fällen hat, welche
durch die Verfügung vollzogen wird, oder ob er unmittelbar verfügen darf,
zumal es auch im letzteren Falle nicht schwer ist, in der Verfügung eine
pronuntiatio über die Rechtmässigkeit ihres Inhalts eingeschlossen zu finden.
Wo deshalb BERNATZIK seine 'Theorie praktisch demonstrirt, kann er sie nur
mittels willkürlicher Handhabung der Begriffe Entscheidung, Verfügung,
administrativer Process retten. Das österr. Recht erklärt erfolgte Bemess-
ungen von Gebühren und directen Steuern innerhalb einer zwei- beziehent-
lich dreijährigen Frist verbesserungsfähig zu Gunsten des Staates. Die
Bemessung kann innerhalb dieser Frist zur Rechtskraft gegen den Staat nicht
gelangen. BERNATZIK erklärt dies nun (S. 142 Anm. 26) einerseits damit,
dass das Mandat, betreffend die Gebührenzahlung, nur Verfügung nicht
Entscheidung und dass den Steuerzahlungsaufträgen kein Verfahren mit Ver-
nehmlassung der Partei vorhergehe. Beides ist unrichtig. Die Gebühren-
zahlungsaufträge zerfallen deutlich kennbar in eine Sentenz über die Leist-
ungsschuldigkeit des Adressaten, welche die Natur des gebührenpflichtigen
Acts und die auf ihn anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen feststellt
und in die Zahlungsverfügung. Andererseits geht jeder Steuerbemessung eine
Vernehmlassung der Partei voraus. Bedenkt man, wie ausgebildet das Be-
schwerderecht im administrativen Verfahren ist, dass somit durch Erhebung
der Beschwerde, jedes Verfahren in ein solches mit Vernehmlassung der
Partei verwandelt werden, jedenfalls in der höheren Instanz eine Ent-
scheidung provocirt werden kann, so wird man es als ungerecht bezeich-
nen müssen, dass die res judicata dem muthwilligen Beschwerdeführer zu
statten kommen soll, nicht aber demjenigen, der die Beschwerde unterlassen
hat, weil er keinen Anlass zur Beschwerde fand. Wie stellt sich die Sache,
wenn dort, wo das Gesetz unmittelbare Verfügung vorschreibt, entschieden
wird, oder wenn verfügt wurde, wo zuerst hätte entschieden werden sollen ?
Vorerst müsste sich die Gesetzgebung über öffentliches Recht den Gegensatz
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