Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

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Interesse noch andere Wege bieten, die aus der Kassirbarkeit 
behördlicher Entscheidungen für den Einzelnen erwachsenden Nach- 
theile aufzuheben und zu mildern. Die Praxis der Verwaltungs- 
behörden und Verwaltungsgerichte in dieser Frage ist eine 
schwankende, insoferne sie öfters aus Billigkeitsgründen die 
Berufung auf die res judicata gegenüber der Rücknahme von 
Entscheidungen und Verfügungen, welche das öffentliche Interesse 
rechtswidrig verletzen, über die gesetzlich anerkannten Fälle 
hinaus ausdehnt. Weil nun hier eine dem Subjectivismus ausge- 
setzte Vergleichung der mit der Opferung des öffentlichen Interesse 
verbundenen Nachtheile mit den dem Einzelnen aus der Aufhebung 
einer Entscheidung oderV erfügung erwachsenden die Unterlage dieser 
Billigkeitsgerichtsbarkeit bildet, so ereignet es sich, dass in generell 
gleichen Fällen wegen der individuellen Verschiedenheit das einemal 
res judicata anerkannt wird, das anderemal nicht. Von gewohnheits- 
rechtlicher Ausbildung fester Rechtssätze kann keine Rede sein?®). 
26) Mit der vorstehenden Ausführung erscheint auch die Versicherung 
BERNATZIE’s widerlegt, dass die von ihm in seiner Rechtssprechung und 
materiellen Rechtskraft vertretenen Rechtssätze Darstellung des geltenden 
Rechts (Vorrede S. VI), und insbesondere eines durch die Praxis des österr. 
Verwaltungsgerichtshofs (S. 110 a. a. O.) herausgebildeten Gewohnheitsrechts 
seien. Das geltende Recht regelt diesen Gegenstand nur fallweise und 
die einzelnen Fälle verschieden. Was aber die rechtsbildende Thätigkeit des 
Verwaltungsgerichtshofs betrifft, so hat BERNATZIK selbst den gründlichen 
Nachweis erbracht, dass die Praxis dieses Gerichts in der hier behandelten 
Frage eine höchst schwankende sei (u. a. S. 136 u. ff). Vgl. nunmehr auch 
Rosın, das Recht der Arbeiterversicherung I. Bd. 8. 779 ff. und Mexzeı, die 
Arbeiterversicherung nach österreichischem Recht 8. 176 u. ff. Die von letz- 
terem aufgestellte Ansicht, dass die Cassation einer formell rechtskräftigen 
Entscheidung nur ex nunc wirke, wird man de lege ferenda nur soweit gelten 
lassen, als das öffentliche Interesse für die Uebung solcher Billigkeit Raum 
lässt. De lege lata lässt sich eine solche Beschränkung nicht nachweisen. Mit 
der Cassation einer Wasserrechtsverleihung fallen auch alle aus derselben für 
Dritte abgezweigten Rechte. Gänzlich ablehnend verhält sich gegen die Aner- 
kennung materieller, das öffentliche Interesse präcludirender Rechtskraft auf 
dem Gebiete des öffentlichen Rechts Zoen in seiner Abhandlung Kritische 
Studien zur Verwaltungsgerichtsbarkeit S. 124.
	        
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