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Im Uebrigen bietet sich für die Erörterung der Bedeutung
des Irrtliums auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts ein weites
Feld. Wo das Gesetz es darauf abgesehen hat, den unbeein-
flussten Willen der für staatliche Zwecke handelnden Personen
zur Geltung kommen zu lassen, dort wird Irrthum ganz so wie
Zwang den von ıhm beeinflussten Willen die Wirkung nehmen,
ohne dass. dabei die pandektistische Unterscheidung zwischen
wesentlichen Irrthum und Irrthum im Motive, zwischen vis abso-
luta und compulsiva zu ziehen wäre. Darum bildet die Irre-
führung der Wähler durch die den Wahlact leitende Behörde
über Thatsachen und Rechtstätze ?”), welche für die Entschliessung
der Wähler entscheidend sein müssen, ganz so wie Terrorismus
einen Nichtigkeitsgrund. Ueber die Wirkung falscher Rechts-
belehrung im Strafprocess ist übrigens auf die Lehre über den-
selben zu verweisen. Auch im Verwaltungsprocess hat hie und
da der Mangel einheitlicher Regelung des Rechtsmittelverfahrens
und der Präclusivfristen für die Anfechtung von Entscheidungen
und Verfügungen und die Unübersichtlichheit der massgebenden
gesetzlichen Bestimmungen dazu geführt, dass den Behörden die
gesetzliche Pflicht auferlegt worden ist, mit ihren Dezernaten
zugleich eine Rechtsbelehrung über Beschwerdefrist und den
Instanzenzug zu verknüpfen. Es ist nun überaus streitig, welchen
Einfluss es hier hat, wenn die Behörde eine längere Frist als die
gesetzliche für die Beschwerde eröffnet, oder wenn sie eine
andere Behörde als die gesetzliche zur Uebernahme der Be-
schwerde competent erklärt? Feststeht, dass die gesetzlich ge-
botene Befriedigung eines öffentlichen Interesse durch eine solche
falsche Rechtsbelehrung keinen Aufschub erfahren könne. Würde
z. B. in der Kundmachung des Beschlusses eines Gemeindeaus-
schusses betreffend die Ausschreibung von Gemeindesteuern die
Anfechtungsfrist mit einer längeren Dauer als der gesetzlichen
angegeben erscheinen, so entstünde daraus für die Gemeinde-
87) Bupw. No. 2880.