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Mittel zu ihrer Erreichung. Bei genauerer Betrachtung erkennt
man deshalb, dass die anscheinend mit dem gleichen Inhalte
ausgestatteten Präjudicialfragen für die verschiedenen Ressorts
einen verschiedenen Inhalt haben. Der Civilrichter entscheidet
die Eigenthumsfrage auf Grund des von der Dispositionsmaxime
beherrschten civilprocessualen Verfahrens, also mit Beschränkung
auf den Inhalt der Parteienerklärungen, der Strafrichter unab-
hängig von denselben. Auch die historische Entwicklung be-
stimmter Rechtsinstitute hat dazu geführt, verschiedene Organe
des Staates bei der Erfüllung der ihnen zugewiesenen Zwecke in
Betreff der die Erfüllung vorbereitenden Erwägungen ganz un-
abhängig von einander zu stellen, also auch dann, wenn dieser
Erfüllung die Lösung von Fragen gleichen Inhalts vorher-
zugehen hat.
Ersitzung und Verjährung theilen auf dem Gebiete des
öffentlichen Rechts das gleiche Schicksal mit einer Reihe an-
derer auch dem Privatrechte bekannter Rechtsinstitute. Sie er-
scheinen zumeist in favorem des Gemeininteresse geregelt. Auch
hier macht sich die wiederholt constatirte Abneigung geltend,
das öffentliche Interesse durch culpa der staatlichen Organe prä-
cludiren zu lassen, eine Abneigung, die sich auch auf dem Ge-
biete des Privatrechts durch die Festsetzung längerer Verjähr-
ungs- und Ersitzungsfristen gegenüber dem Staate und öffent-
lichen Verbänden äussert.
Die Verjährung öffentlicher Abgaben an den Staat und den
öffentlichen Verbänden darf nicht im Wege analoger Anwendung
des Privatrechts herbeigeführt werden, sondern bedarf der aus-
drücklichen gesetzlichen Anerkennung. Wo umgekehrt sich be-
stimmte Verhältnisse öffentlichen Zwecken dienstbar erweisen, wird
überdies von der Praxis, selbst ohne jede gesetzliche Unterlage
nicht selten die Möglichkeit, ihren rechtlichen Bestand in Frage
zu stellen, durch Berufung auf Uebung, Gewohnheit, Immemorial-
verjährung abgeschnitten. Es handelt sich hiebei in seltenen