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Fällen um ein wirkliches Gewohnheitsrecht im Sinne der Theorie,
sondern häufig um Legitimirung eines Zustandes, dessen rechts-
widriger Ursprung oder Bestand nachweisbar ist, dessen Auf-
hebung jedoch mit so erheblichen Nachtheilen für das öffent-
liche Interesse verbunden wäre, dass ihnen gegenüber der Nach-
theil der Verletzung von Individualrechten kaum in Betracht
kommt. So ist die prekaristische Natur der öffentlichen Be-
nützung der sogenannten „Rechtswege‘“ in Niederösterreich meist
mit Hilfe des Grundbuchs und der Erinnerung an ihre Bedeutung
nachweisbar. Es sind dies Wege, welche die ehemaligen Grund-
herrschaften ihren Unterthänigen durch Wald und Feld zum
Zwecke des Kirchen- und Schulbesuchs eröffneten, oder welche
dieselben ohne ausdrückliche Erlaubniss wählten oder abtraten.
Wo sich dadurch bestimmte Ansiedlungsverhältnisse heraus-
gebildet haben, deren Fortbestand durch die Sperrung des Rechts-
weges in Frage gestellt wird, beugt die Behörde dieser Gefahr
durch Erklärung des Weges als eines öffentlichen vor. Wir
haben es hier nicht mit einer Expropriationsverfügung zu thun,
sondern mit einem rein declarativen Ausspruch, der die Last
der öffentlichen Benutzung nicht auferlegt, sondern als bereits
aufliegend erklärt. Wegen der rein declarativen Natur dieses
Ausspruchs kommt dem hiedurch nachtheilig betroffenen Privat-
eigenthümer ein Entschädigungsanspruch kraft ausdrücklicher ge-
setzlicher Bestimmung nicht zu, sondern kann ihm nur unter
analoger Anwendung des Princips der Entschädigung aus dem
Rechtsgrunde der Expropriation zuerkannt werden. Wir haben
es hier mit einer Nothlage der Verwaltungspraxis zu thun und es
bedarf deshalb die ganze Frage einer eingehenden legislativen Regel-
ung. Darum trifft die Entscheidung des preussischen Oberver-
waltungsgerichts No. 31 Bd. XV. der Sammlung das Wesen der
hier besprochenen Erscheinung, der Legitimirung althergebrachter,
ohne Verletzung gesetzlich anerkannter öffentlicher Interessen
nicht zu beseitigender Rechtszustände nicht. Dort wird ange-
Archiv für Öffentliches Recht. IX. 8. 25