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oderNachbarrechtsverhältnissesaufgefasst werden. Eine Com-
petenzüberschreitung liegt darum vor, wenn Gerichte ohne gesetz-
liche Ermächtigung die Erhöhung einer öffentlichen Strasse gegen-
über den an derselben liegenden Gebäuden als Verletzung eines
servitus altius non tollendi erklären. Dies wird ganz klar, wenn
man an jene Gebäude denkt, welche erst nach Herstellung der
Strasse an derselben gebaut wurden ($ 1455 a. b. Gb.). Auch
hinsichtlich der älteren Gebäude erscheint die Annahme einer
solchen Servitut selbst im Fall rein privatrechtlicher Auffassung
des Verhältnisses unstatthaft, wenn sie nicht nachweisbar bestand,
so lange die Wegeparzellen gewöhnlicher Privatgrund waren.
Auf dem Wege solcher Analogieen gelangt man auch zu einer
servitus altius non tollendi für die Eigenthümer der an einem
grossen unverbauten öffentlichen Platze gelegenen Häuser, kraft
welcher diese Eigenthümer zu fordern berechtigt wären, dass der
Platz als Platz niemals aufgelassen, für die Herstellung von
Strassenvierteln nicht abgetheilt werden dürfe. Ganz hinfällig
ıst die Motivirung der Entscheidung No. 184, Bd. 7 SEUFFERT,
in welcher der Anspruch der angrenzenden Grundbesitzer auf
Ersatz für die Nachtheile aus der Durchführung eines Stras-
senprojectes durch Staat oder Gemeinde damit gerechtfer-
tigt wird, dass sonst Niemand in seinem Eige thum gesichert
wäre und bedeutende Kapitalsanlagen umsonst gemacht würden.
Mit dieser Motivirung liesse sich ein Ersatzanspruch in Betreff
aller Vermögensverluste construiren, welche den Einzelnen deshalb
treffen, weil die staatliche Verwaltung mit seiner Erwartung oder
Berechnung nicht übereinstimmt. In Wahrheit ist die Nutzung
der Eigenthümer der an einer Strasse liegenden Gebäude juri-
stisch von keiner andern Art als jene der Passanten.
Richtig wird dies erkannt in der Entscheidung des deutschen
Reichsgerichts, Bd. 3 No. 49: „Durch die blosse Thatsache,
dass das Strassenareal bisher zum öffentlichen Gebrauch
gedient hat, ist ein privatrechtlicher Anspruch auf Fortdauer