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Die Erfolge der ersten Genossenschaften regten zur Nachahmung
an, und so verbreiteten sich die Scuuzze’schen Ideen schnell über
ganz Deutschland, es entstanden zahlreiche Genossenschaften, denen
die Solidarhaft durchaus kein Hemmniss bereitete, sondern die nur
nach einer gesetzlichen Grundlage strebten, die ihnen Rechtspersön-
lichkeit verschaffte. Nicht in der unbeschränkten Haftpflicht?)
beruhten die grossen Schwierigkeiten für die Errichtung und Ent-
wicklung der Genossenschaften sondern in ihrer Organisation und
der Regelung ilırer Vertretung Dritten gegenüber; musste doch
meistens der Kassierer auf seinen Namen die Rechte für die Ge-
nossenschaft erwerben und die Verbindlichkeiten übernehmen, da
die Genossenschaft wegen der mangelnden Rechtspersönlichkeit
hierzu ausser Stande war. Hierin änderte sich auch nichts durch
den Erlass des Handelsgesetzbuches, da die in demselben vorge-
sehenen Gesellschaftsformen für die Genossenschaften völlig un-
geeignet waren.
So offenbar die grosse wirthschaftliche Bedeutung der unbe-
schränkten Solidarhaft sogleich war und so sehr ScHuLzE auch neben
dem wirthschaftlichen den sittlichen Werth derselben betonte,schien
3) Das Material zum Studium dieser Specialfrage aus der Geschichte
des deutschen (fenossenschaftswesens finden wir hauptsächlich in den Mit-
theilungen über die Vereinstage und in Aufsätzen in den „Blättern für Ge-
nossenschaftswesen* insbesondere in Aufsätzen von Dr. ScHUuLzE - DELITZSCH
in No. 6-9 von 1881 (auch als Separat-Abdruck erschienen) und in Aufsätzen
an LuDoLr PArısıus in No. 44—48 von 1886, ferner in Dr. SCHULZE-DELITZSCH
Gesetzgebung über die privatrechtliche Stellung des Erwerbs- und Wirth-
schafts - Genossenschaften (1869) und in „Material zur Revision des Ge-
nossenschaftsgesetzes* (1883) — sodann in GOLDSCUMIDT’s „Erwerbs- und
Wirthschaftsgenossenschaften® (1882), in den Verhandlungen des Juristen-
tages 1869 und 1886 (über die letzteren ist besonders zu vergleichen die Be-
sprechung von PArısıus in No. 39 ff. der Blätter für Genossenschaftswesen von
1886) — über die weitere Literatur vgl. GOLDSCHMIDT a. a. O. S. 75 Anm.
In später erschienenen Aufsätzen wird meist nur unter Berufung auf GOLD-
SCHMIDT es als ein grosser Fehler betrachtet, dass die beschränkte Haftpflicht
nicht schon vor 25 Jahren zugelassen war! Die wichtigste Literatur ist auch
in diesem Aufsatz bei den entsprechenden Stellen angegeben.