Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

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warum, schreibt ScHurzE, verlangt man nicht, dass es offene 
Handelsgesellschaften auch mit beschränkter Haft geben müsse ? 
Freilich braucht man nur den betreffenden Artikel des Handels- 
gesetzbuchs einem solchen Verlangen gemäss zu formuliren, um 
das Widersinnige sofort einzusehen“. 20 Jahre später war dies 
eine sehr verbreitete Forderung geworden. ScHuLzE machte dem 
österreichischen Gesetze gegenüber auch darauf aufmerksam, dass es 
für Handelsgesellschaften ohne Vorgang sei, dass es den Mit- 
gliedern der Gesellschaft überlassen werde, die Haftpflicht zu be- 
stimmen ?°). Es steht in dieser Beziehung allerdings auch heute 
26) Bei dieser Gelegenheit mag kurz darauf hingewiesen werden, dass 
der Versuch SCHULZE mit der neueren englischen Genossenschaftsgesetzgebung, 
welche auf der beschränkten Haft beruht, zu widerlegen, der inneren Begründ- 
ung entbehrt. Das neue englische Gesetz, wie überhaupt die ausländischen ausser 
dem österreichischen Gesetz, hat grosse Aehnlichkeit mit der Actiengesetzgeb- 
ung. Die ersten englischen Gesetze von 1852 und 1855 liessen nur die unbe- 
schränkte Haftpflicht zu, das englische Genossenschaftswesen nahm unter dem- 
selben eine von dem deutschen völlig verschiedene Entwickelung, denn während 
in Deutschland bald die Creditgenossenschaften an die Spitze traten, waren in 
England die Consumvereine Ausschlag gebend, welche den Credit in erheblich 
geringerem Umfange in Anspruch nehmen. Dies musste auch auf die Gesetz- 
gebung von Kinfluss sein, und das Gesetz vom 7. August 1862 beschränkte 
die Haftbarkeit der Mitglieder auf die gezeichneten Geschäftsantheile und 
überliess dem Statut darüber Bestimmung zu treffen, ob dieselben beim Aus- 
scheiden der Mitglieder rückzahlbar oder nur übertragbar sein sollten, so dass 
die Genossenschaft ein dem Zugriff der Mitglieder entzogenes Capital bildete. 
Um den Credit der Genossenschaft zu sichern, empfahl der englische Ge- 
nossenschaftsverband 1872 den Genossenschaften „einen bedeutenden Theil 
der Geschäftsantheile übertragbar zu machen‘. Bei einer solchen Massnahme 
war die Forderung Schuıze’s an die beschränkte Haft erfüllt. Auf genossen- 
schaftliche Banken durfte das Gesetz keine Anwendung finden; letzteres 
änderte sich erst durch das Gesetz vom 11. August 1876, welches aber den 
Genossenschaften den Betrieb von Bankgeschäften verbot, die irgend zurückzieh- 
bares Actiencapital haben, und ferner die Auszahlung von Actiencapital allen 
Genossenschaften untersagt, die Depositen angenommen haben, so lange ein 
Anspruch von Depositaren noch besteht. Hieran hat auch das neueste Gesetz 
nichts geändert. Die beschränkte Haft des englischen Gesetzes entspricht 
daher wesentlich den Anschauungen ScHtıze’s über dieselbe und kann 
durchaus nicht gegen ihn in’s Feld geführt werden. 
Archiv für öffentliches Recht. IX, 8. 28
	        
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