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Art. 618 H.G.B. ausgesprochener Satz, dass für verlorene Güter
keine Fracht zu zahlen ist. Daher befremdet auf den ersten
Blick der erste Absatz des $ 61 des Entwurfs, wonach auch für
Güter, welche durch einen Unfall verloren gegangen sind, Distanz-
fracht bezahlt werden soll. Diese Bestimmung scheint deshalb
aufgenommen zu sein, weil dem Binnenfrachtführer gegenwärtig
vielfach für verlorene Güter ein nach dem Maasse der zurück-
gelegten Reise bemessener Bruchtheil der Fracht bezahlt wird
und das hat seinen Grund darin, dass der Binnenfrachtführer
nicht gewohnt ist, seine Fracht zu versichern und deshalb, wenn
er für verlorene Güter gar keine Fracht erhält, um so schwerer
geschädigt wird, als er häufig sich schleppen lässt und den Schlepp-
lohn, welchen er aus seiner zu verdienenden Fracht zu berichtigen ge-
dachte, beim Verlust der Frachtgüter ganz oder theilweise vergeb-
lich aufgewandt haben wird. Diesen Verhältnissen wird auch in der
Praxis jetzt dadurch Rechnung getragen, dass die Assecuradeure
dem Absender die Fracht mitzuversichern pflegen, so dass der
Absender, welcher Distanzfracht für verlorene Güter zahlt, von
seinem Versicherer schadlos gehalten wird. Theoretisch steht
allerdings nichts im Wege den obenerwähnten Satz des Seerechts
auch für die Binnenschiffahrt aufrecht zu erhalten und damit
den Schiffseigner zu zwingen, selbst seine Fracht zu versichern.
Es fragt sich nur, was zweckmässiger ist. An sich gehört die
Distanzfracht zu denjenigen Bestimmungen des Handelsgesetz-
buchs, deren Beseitigung bei Revision des Handelsgesetzbuchs
auch für das Seerecht wohl zu erwägen wäre, denn folgerichtiger
ist jedenfalls das englische Recht, welches regelmässig jeden
Frachtanspruch davon abhängig macht, dass der Frachtführer
das Gut an seinen Bestimmungsort bringt, es sei denn, dass
zwischen dem Schiffer und dem Ladungsbetheiligten eine neue
ausdrückliche Vereinbarung stattfindet, wonach die Güter vor
vollführter Reise abgenommen werden (vgl. z. B. Assorr Law of
Merchant Ships and Seamen XIII. Aufl. S. 600 ff.). Nur in den
letzteren Ausnahmefällen billigt das englische Recht Fracht pro
rata itineris zu. Für den Entwurf dürften aber doch die prak-
tischen Bedürfnisse und Anschauungen der Binnenschiffahrt aus-
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