Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

— 41 — 
Art. 618 H.G.B. ausgesprochener Satz, dass für verlorene Güter 
keine Fracht zu zahlen ist. Daher befremdet auf den ersten 
Blick der erste Absatz des $ 61 des Entwurfs, wonach auch für 
Güter, welche durch einen Unfall verloren gegangen sind, Distanz- 
fracht bezahlt werden soll. Diese Bestimmung scheint deshalb 
aufgenommen zu sein, weil dem Binnenfrachtführer gegenwärtig 
vielfach für verlorene Güter ein nach dem Maasse der zurück- 
gelegten Reise bemessener Bruchtheil der Fracht bezahlt wird 
und das hat seinen Grund darin, dass der Binnenfrachtführer 
nicht gewohnt ist, seine Fracht zu versichern und deshalb, wenn 
er für verlorene Güter gar keine Fracht erhält, um so schwerer 
geschädigt wird, als er häufig sich schleppen lässt und den Schlepp- 
lohn, welchen er aus seiner zu verdienenden Fracht zu berichtigen ge- 
dachte, beim Verlust der Frachtgüter ganz oder theilweise vergeb- 
lich aufgewandt haben wird. Diesen Verhältnissen wird auch in der 
Praxis jetzt dadurch Rechnung getragen, dass die Assecuradeure 
dem Absender die Fracht mitzuversichern pflegen, so dass der 
Absender, welcher Distanzfracht für verlorene Güter zahlt, von 
seinem Versicherer schadlos gehalten wird. Theoretisch steht 
allerdings nichts im Wege den obenerwähnten Satz des Seerechts 
auch für die Binnenschiffahrt aufrecht zu erhalten und damit 
den Schiffseigner zu zwingen, selbst seine Fracht zu versichern. 
Es fragt sich nur, was zweckmässiger ist. An sich gehört die 
Distanzfracht zu denjenigen Bestimmungen des Handelsgesetz- 
buchs, deren Beseitigung bei Revision des Handelsgesetzbuchs 
auch für das Seerecht wohl zu erwägen wäre, denn folgerichtiger 
ist jedenfalls das englische Recht, welches regelmässig jeden 
Frachtanspruch davon abhängig macht, dass der Frachtführer 
das Gut an seinen Bestimmungsort bringt, es sei denn, dass 
zwischen dem Schiffer und dem Ladungsbetheiligten eine neue 
ausdrückliche Vereinbarung stattfindet, wonach die Güter vor 
vollführter Reise abgenommen werden (vgl. z. B. Assorr Law of 
Merchant Ships and Seamen XIII. Aufl. S. 600 ff.). Nur in den 
letzteren Ausnahmefällen billigt das englische Recht Fracht pro 
rata itineris zu. Für den Entwurf dürften aber doch die prak- 
tischen Bedürfnisse und Anschauungen der Binnenschiffahrt aus- 
31*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.