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Berechnung zu Grunde zu legende Formel ist der zwischenstaat-
lichen Rechts- und Verkehrsordnung zu entnehmen. Von hier aus
gewinnt das Staatsoberhaupt erst bei Störungen der genossen-
schaftlichen Friedensordnung, — von ihren leisesten Ablenkungen
an bis zu den gröbsten Schwankungen — die völkerrechtlichen
Voraussetzungen für die Unterbrechung der bisherigen vertrags-
rechtlichen Verbindung. Mit gutem Grunde hält daher die Lehre
daran fest, dass die landesherrliche Ausserkraftsetzung von Ver-
trägen als Massregel der völkerrechtlichen Vertretung nur als
Repressalie oder als Beginn des Abbruches der friedensrecht-
lichen Beziehungen zulässig ist. Sie fällt im Verfassungssystem
(les Deutschen Reiches nach Art. 11 Abs. 1 in den Rahmen der
dem Kaiser zustehenden Regierungsacte, bei deren Vornahme der
Kaiser weder an die Mitwirkung von Bundesrath und Reichstag
(Gesetz), noch an die des Bundesrathes allein (Verordnung) ge-
bunden sein kann.
Ziehen wir aus dem Bisherigen die Summe und vergleichen
wir die Ergebnisse unserer Untersuchung mit der Actenlage, so
wird sich uns die Erkenntniss aufdrängen: Der nach verfassungs-
mässiger Behandlung ratificirte und rite publicirte Handelsvertrag
mit Oesterreich-Ungarn ist ohne gesetzliche Ermächtigung der Fac-
toren, welche nach Art. 11 R.-V. Abs. 3 zu seiner reichsrechtlichen
Activirung berufen sind, durchbrochen worden. Die Durch-
brechung geschah durch Kaiserliche Verordnung „nach erfolgter
Zustimmung des Bundesraths“. Die Ausserkraftsetzung erfolgte
nicht als Gegenmassregel gegen eine vom Auslande im Verhältniss
zum Deutschen Reich verfügte feindliche Anordnung, nicht als
Repressalie, sondern lediglich aus einseitiger freier Entschliessung
der Reichsregierung, angesichts einer drohenden Vertheuerung der
Futtermittel vorbeugende Massregeln zu treffen.
Ist der Handelsvertrag jenen Vereinbarungen mit fremden
Staaten beizuzählen, welche ihrem Inhalte nach im Sinne des
Art. 11 R.-V. Abs. 3 in den Bereich der materiellen und formellen