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durch die staatlichen Behörden, auf Anerkennung durch den Ein-
zelnen entspringen könne, welcher der Geltendmachung jedes ihrem
Inhalt widerstreitenden Anspruches entgegengesetzt werden kann,
ob also die Verfügung materielle Rechtskraft besitze, ist eine
ebenso bestrittene als auch mit Rücksicht auf eine bestehende Ver-
waltungsgerichtsbarkeit [mag diese durch besondere Gerichte oder
wie dies in einzelnen Verwaltungsrechtssachen der Fall ist, durch
Civilgerichte geübt werden] praktisch sehr wichtige Frage. Theo-
retisch ist die Frage ganz zulässig, ob und in welchem Umfange
re integra dasjenige, was durch eine formell rechtskräftige Ver-
fügung geboten, verboten oder gewährt wurde, in Betreff seines
rechtlichen Bestandes nicht mehr als fraglich behandelt werden
darf, aus welchem Anlasse und in welchem Zusammenhange immer
der Versuch zur Bestreitung der Rechtsbeständigkeit des Ver-
fügten gemacht werden mag. Einerseits besteht die Möglichkeit,
den Uebergang von der Rechtskraft der Entscheidungen zu jener
der Verfügungen zu finden, indem man jeder Verfügung das Ur-
theil des Verfügenden zu Grunde legt, dass sie dem Rechte ge-
mäss ergehe. Es ergibt sich das Bedürfniss hiefür durch die
Erwägung, dass die Scheidung zwischen Urtheil und Verfügung
sich in vielen Fällen mit der erforderlichen Schärfe nicht ziehen
lässt. Wenn andererseits mit dem terminus materielle Rechtskraft
ausgedrückt werden will, dass das rechtskräftige Urtheil ein schlecht-
hin oder in einem gewissen Umfange unantastbares Rechtsverhält- .
niss begründe, so kommt auch Verfügungen die Fähigkeit zu,
Rechtsverhältnisse zu begründen, in Betreff derer die Frage auf-
geworfen werden kann, ob und in welchem Umfange sie unan-
tastbar seien °!),
51) Auch kann man billiger Weise die Frage aufwerfen, ob die formelle wie
die materielle Rechtskraft, die Function des Urtheils, also eines logischen
Schlusses sein könne, und nicht vielmehr wie die Gesetzeskraft Function eines
staatlichen, auf das Urtheil bezüglichen, dessen Anerkennung und die Anerken-
nung bestimmter Folgerungen aus demselben gebietenden staatlichen Impera-
tivs sein müsse, wonach also auch die Verfügung solcher Kraft fähig könnte?
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