Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

Hier wird der Bruch einer einzelnen Bestimmung — er muss 
es nicht, aber er kann es —, den Erfolg haben, die andere Partei 
zu liberiren, sie nun ihrerseits zur Aufhebung des ganzen Ver- 
trages zu berechtigen; andernfalls wäre es, wie bereits oben er- 
wähnt, jedem Contrahenten hinterher in die Hand gegeben, sich 
einseitig den ihm lästig gewordenen Bestimmungen zu entziehen 
und die ihm vortheilhaften zu conserviren. Objective Vertrags- 
verletzung liegt also auch dann zweifellos vor, wenn nicht der 
Vertrag in toto, sondern wenn auch nur eine einzelne Bestimm- 
ung zeitliche oder dauernde Ausserkraftsetzung erfahren hat. Im 
Civilrechtsverkehr mag es gelten, dass die Nichterfüllung einer 
übernommenen Verbindlichkeit oder die nur theilweise Erfüllung 
eines Vertrages, lediglich die Folge einer Erfüllungsklage, die 
Weigerung des Pflichtigen das gerichtliche Zwangsrecht nach sich 
zıehe. Der Völkerrechtsordnung ist es wesentlich, dem leistenden 
Staate das Recht des Rücktritts im Falle der totalen oder par- 
tiellen Vertragsverletzung zuzuerkennen. 
Mehr oder minder gewichtige Verschiebungen der wirthschaft- 
lichen Verhältnisse, der Conjunctur im Innern des Staates und 
seines Wirthschaftslebens geben dem modernen Verkehrsstaat nicht 
mehr das Recht, zum zweischneidigen Handwerkszeug der alten 
„clausula rebus sic stantibus‘ zu greifen. Dieses drastische Mittel 
gehört einem therapeutischen System an, das sich als gleich ge- 
fährlich für den Patienten wie für den Heilkünstler erwies. So 
wie im privaten Verkehr das Verschwinden der Vortheilhaftigkeit 
eines Geschäfts keinen Vertragsaufhebungsgrund bildet, wenn 
auch die Hoffnung auf Lucrativität die erste und allgemeinste 
Voraussetzung eines jeden Geschäfts bildet, so kann auch eine 
leichte Verschiebung der Productions- und Consumtionsbedingungen 
innerhalb eines Staates nicht die Durchlöcherung und Aufhebung 
des geschlossenen internationalen Rechtsgeschäftes begründen. 
Der grosse Culturgedanke: Recht ist die Willensbindung 
des Staates, nach Innen wie nach Aussen, dieser Fundamental-
	        
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