Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

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Die 3 Bünde haben jeder eine vom andern abweichende staatsrechtliche 
Organisation. 
1. Der Gotteshausbund, das ehemalige dominium des Bischofs 
von Chur, umfasst etwa 18 Gerichte oder Gemeinden, die territorial nicht 
zusammenhängen: daher keine gemeinsame Verfassung und Gesetzgebung. Die 
Regierungsrechte des Bischofs sind auf einige wenige Gerechtsamen zusammen- 
geschmolzen. 
2.Der Zehngerichtenbund, den früher Toggenburgischen Besitz 
hauptsächlich im heutigen Prättigau und Davos nebst Churwalden umfassend; 
er bildete sein Recht in vielen Punkten dem des Hauptortes Davos nach. 
Dabei galt, wie es scheint, die urgermanische Regel, dass das Bundesrecht 
gegenüber den Gesetzen der einzelnen Gerichte nur subsidiären Charakter 
habe, ausser wo es sich um Streitigkeiten zwischen Angehörigen verschiedener 
Gerichte handle. Eine gemeinsame Criminalordnung aus der zweiten Hälfte 
des 17. Jahrhunderts wurde von Prof. v. Sarıs erst 1890 entdeckt und als 
Nachtrag in Bd. II abgedruckt). 
3. Der Graue Bund schloss mit dem Vorderrheinthal und Misox 
den südwestlichen Theil des heutigen Kantons in sich und ist dadurch merk- 
würdig, dass er eine Verbindung von Herrschaftsherren und freien Gemeinden 
darstellte und eine vollständige Bundesgesetzgebung sammt Bundesgericht 
besass. 
Umfang und Charakter der einzelnen Quellen betreffend, möchte es 
Fernstehenden auffallen, dass die Gesetze der einzelnen Bünde als solche 
sich vorwiegend nicht mit dem Öffentlichen, sondern mit dem Privatrechte 
befassen. Allein im Grunde ist dies doch leicht zu erklären, da die Ver- 
bindung der einzelnen Gerichte und Gemeinden nicht sowohl die Stärkung 
gegenüber äussern Feinden, bezw. den Schutz des Territoriums bezweckte, 
als vielmehr die Förderung der politischen Freiheitsbestrebungen gegen 
feudale Einrichtungen und landeshoheitliche Tendenzen der Herrschaften. Es 
handelte sich nicht um Beschränkung der lokalen Selbstverwaltung, welche 
dem politischen Leben ein centralistisches Gepräge verliehen hätte, sondern 
um Befestigung und Stärkung jener Selbstverwaltung durch Hebung des ge- 
meinsamen Freiheitstriebes.. Damit verband sich dann die Erstrebung ein- 
heitlichen Privatrechts behufs Vermeidung von Streitigkeiten über örtliche 
Rechtsanwendung unter stammverwandten und benachbarten Gemeinwesen, 
besonders auf dem Gebiete des Familienrechts und Erbrechts, sowie der 
Vorschriften über Kauf und Lauf, Strafrecht und Polizei. Uebrigens besitzt 
°) Der hier vorkommende Ausdruck „auf galea ... . verurtheilen“ 
(S. 168), welcher vom Herausgeber mit einem ? versehen ist, erklärt sich 
leicht: es handelt sich um Galeerenstrafe, welche von schweizerischen Ge- 
richten im 17. Jahrhundert nicht selten ausgesprochen und auf französischen 
Galeeren (auch wohl auf dem Genfersee) verbüsst wurde.
	        
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