Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

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bühne jede Regung nüchternen Urtheils übertrumpft wird, auch auf dem 
Gebiete wissenschaftlicher Verständigung die Vorhand gewinnen? Anstatt 
nun vor allem das Ziel seiner neuen Wissenschaft näher zu präcisiren, weist 
der Autor ohne Weiteres auf die Bahnrichtung letzterer hin, und begnügt 
sich auch bei dieser Aufgabe nur mit flüchtigen Andeutungen auf wenigen 
Seiten. Der schöne Wunsch, den Autor, wie im Gefühl beregten Mangels 
ausspricht, hilft nicht über denselben hinweg: „möge die spärliche Hütte, 
welche in dieser Schrift der ethnologischen Jurisprudenz zu bauen versucht 
ist, dereinst einmal zu einem glänzenden Palaste menschlichen Wissens aus- 
wachsen“. Darauf macht er sich gleich an die Anfuhr seines Baumaterials, 
das er möglichst weit aus allen Weltenden herbeiholt, meist im morschen 
Karren des traditur, fertur. Bleibt aber bei diesem Verfahren, zur Beur- 
theilung seiner Berechtigung, für die Kritik schon hinsichtlich des quid und 
cui bono nicht viel mehr als blosse Muthmassung übrig, so erst recht hin- 
sichtlich des quomodo quibusque auxiliis. 
Offenbar scheint Autor sich noch durchaus im Bannkreise von zwei 
Ideen zu befinden, welche der heutige Standpunkt exacter Wissenschaftlich- 
keit und staatsmännischer Empirie bereits ad acta zu legen beginnt. Zunächst 
scheint er die Tendenz des Normal-Menschlichen mit dem Begriff des All- 
gemein-Menschlichen zu verwechseln bezw. zu identificiren. Ueberall betont 
er als massgebendes Moment, und gleichsam als novum seiner Wissenschatt 
die gemeinsamen Erscheinungsformen der menschlichen Gattungsnatur unter 
allen Erdenvölkern. Die mannigfachen Abweichungen lässt er ohne syste- 
matische Eingliederung in seinen „Grundriss“, weil dieselben keinen „selb- 
ständigen Werth“ besässen. 
Seine Seele scheint nicht zu ahnen, dass er damit seinen Grundriss von 
vornherein blossstell. Oder weiss er etwa nicht, dass keiner auf das reale 
Leben angewandten Wissenschaft mehr fremd ist, was die Psychologie längst 
erkannt hat, nämlich, dass die Menschen nicht nur Gattungsgeschöpfe, sondern 
auch Individuen sind, mithin die durch letztere Eigenschaft bedingte Un- 
gleichheit nicht minder ein naturgesetzliches Factum ist als die durch erstere 
Eigenschaft bedingte Gleichheit. Wo unseren besten Autoritäten in Privat-, 
Staats- und Völkerrecht, u. a. R. v. Mout auch in Staatswissenschaft und 
Politik, auf rechtsphilosophische Begründung zurückgreifen, rechnen sie auch 
stets mit beiden Grössen. 
Diese Autoritäten hat Referent durchaus auf seiner Seite, wenn er sagt, 
dass das Normal-Menschliche nicht die elementare Einheit jener allgemeineren 
Seiten der Menschennatur ist, welche gewisse homogene Lebenserscheinungen 
unter allen Erdenvölkern gezeitigt hat und zeitig. Das normative Charak- 
teristicum ist vielmehr die culturelle Eigenart des Allgemein-Menschlichen in 
nationaler Ausgestaltung, wodurch Horden zu Völkern werden — ist, mit 
A. VInET, einem der ersten und geistvollsten Denker sociologischer Richtung 
gesprochen, das Princip der Individualität: proprie communia dicere. „Der 
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