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ist ein Rechnen, ein Rechnen, dem die Aussicht nicht versagt bleibt, in
künftiger Zeit vielleicht ein Infinitesimal-Kalkül zu erfinden, das vorläufig
aber, ehe an die Probleme der Ursprungsfrage gedacht werden kann, allzu-
viel noch mit seinen Elementar-Operationen zu thun haben wird, um darin
zunächst einige Uebung zu gewinnen (und die Kräfte zu proben). Sonst droht
höherer Schwindel im „Höhenschwindel“ u. dgl. m.*
Wir überlassen dem Autor die Auseinandersetzung mit dem ihn demen-
tirenden ethnologischen Forum, welches er als seine Specialinstanz angerufen
hat, und schliessen mit einer allgemeinen Glosse zur Zeit.
Mit ausserordentlichem Seherblick hat schon FicHtTe („Grundzüge des
gegenwärtigen Zeitalters“) für unser Jahrhundert die zurückweichende Inten-
sität schöpferischer Geisteskraft und die ins Breite gehende Expansion com-
pilatorischer Handlangerarbeit vorausgesagt. Referent will letztere Richtung
keineswegs anfechten. Im weiten Gebiet wissenschaftlichen Forschens hat
auch sie ihre wohlberechtigte Stelle. Aber: ne sutor ultra crepidam. Diese
Richtung unterlasse es, Zielen zuzustreben, die durchaus ausserhalb ihrer
Arbeitsgrenzen liegen. Ein solcher Stil des Strebens führt zur Sisyphos-
Arbeit, welcher auch bei dem Aufgebot äusserster Leistungen jedes End-
resultat versagt bleibt. Jene Grenzen, von denen soeben die Rede war, be-
schränken dem betreffenden Arbeitseifer keineswegs beliebiges Schweifen in
die Ferne. Diese Dimension steht jedem Streben offen, aber nicht die Dimen-
sion von Höhe und Tiefe. Hier erweist die unbedingte Wanlfreiheit sich
nicht stichhaltig.
Warum fasst also betreffender Eifer nicht lieber Dinge ins Auge, die
naturgemäss innerhalb der Sphäre richtigen Sammelfleisses liegen, wie z. B.
— um wenigstens eine praktische Nutzanwendung sofort zu zeigen — die
durchaus zeitgemässe und dankbare Idee eines internationalen Privat-
rechts u. a. m.? Bei dergleichen Aufgaben handelt es sich zunächst um
Quellenforschung exactester und reichster Art.
Fleiss und Kritik können eo ipso glänzende Erfolge erzielen, aber nicht
überall, sondern nur da, wo nicht die Function schöpferischen Geistes und
speculativer Befähigung erste und unerlässliche Vorbedingung ist.
Schmidt-Warneck.
Dr, Friedrich Stein, a. o. Professor der Rechte in Leipzig, Die aka-
demische Gerichtsbarkeit in Deutschland. 8. XII und 151 8.
Leipzig 1891, ©. L. Hirschfeld.
Verfasser will „die Gerichtsbarkeit und die Rechtspflege unserer Uni-
versitäten in ihrer Abhängigkeit von allgemeinen politischen und culturellen
Einflüssen darstellen und ihr Emporblühen wie ibren Verfall und Untergang
als geschichtliche Nothwendigkeiten“ begreiflich machen. Dies ist ihn treff-
lich gelungen.