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Im ersten Kapitel zeichnet er die auf ausserdeutschem Boden stehen-
den Grundpfeiler der Entwicklung, insbesondere die Gerichtsbarkeit und
Rechtspflege der Universitäten Bologna und Paris während des Mittelalters.
Die erschöpfenden Forschungen DentrL#’s und KAUFMAnN’s boten ihm hierfür
zuverlässige Vorlagen. Dann wird die Entwicklung in Deutschland geschildert,
nämlich im zweiten Kapitel ihr Aufsteigen bis zur Reformation, im dritten
ihr Absteigen bis zu der durch die Justizgesetze des neuen Reichs geschaffenen
Rechtslage. Hier musste sich STEIN selbst erst den Boden bereiten durch
Verarbeitung des überaus reichen Quellenmaterials, zumal des von den Ge-
schichtsschreibern der einzelnen deutschen Universitäten aufgehäuften Stoffes.
Die Belege in den Noten geben Zeugniss von dem Umfang und der sorg-
fältigen Ausführung dieser Arbeit, die sicherlich — um so mehr, als STEIN
seinen Gegenstand immer im Rahmen der ganzen Universitätsverfassung vor-
führt, — auch der allgemeinen Geschichte der deutschen Universitäten zugute
kommen wird. Die Darstellung ist übersichtlich, knapp und anschaulich.
Die Mittheilung einer Fülle von charakteristischen Beispielen und Einzel-
heiten, die namentlich in den Noten Platz gefunden haben, beleht das Inter-
esse des Lesers. Die Schrift, zugleich ein Beitrag zur Corporationslehre und
von Werth für die Würdigung des Einflusses, welchen im Laufe der Zeiten
Kirche und Staat auf das deutsche Corporationsleben ausgeübt haben, sei
hiermit — auch Nichtjuristen — aufs Wärmste empfohlen.
Breslau. Dr. Alfred Schultze.
Dr. Heinrich Horten, Die Personalexekution in Geschichte und
Dogma. I. Abtheilung: Ausserdeutsche Grundlagen. 1. Buch: Franken
Wien. Manz’sche Hof-Verlags- und Univers.-Buchhandlung. 1893. 8.
243 S. Preis 6 Mk.
Verfasser versteht unter der Personalexecution den gegen die Person
gerichteten Zwang in der Civilexecution im Gegensatz zur Sachzwangsvoll-
streckung. Er will die deutsche Rechtsentwicklung auf diesem Gebiete „von
den ersten Zeiten bis in unsere Tage“ darstellen und zwar zunächst das
Recht bei den Franken und in Italien („ausserdeutsche Grundlagen“), dann
das Recht „des Volks in deutschen Landen und mit deutscher Zunge“. Das
Unternehmen ist verdienstlich. Denn es handelt sich um ein bisher verhält-
nissmässig wenig begangenes, dabei schwieriges Terrain. Namentlich ist ge-
rade in Beziehung auf das Vollstreckungswesen die Ausnützung des Ur-
kundenmaterials durch besonderen Fleiss und Scharfsinn bedingt.
Der vorliegende Abschnitt bringt das fränkische Recht. Verf. hat
es hier noch im Wesentlichen mit Gesetzesmaterial zu thun. Lex Salica,
lex Ribuaria, lex Gundobada, letztere wegen ihres Einflusses auf die fränki-
schen Königsnormen, dann diese, die Capitularien, selbst werden in ihren ein-
schlägigen Theilen gründlich interpretirt und in ihrem Verhältniss zu einander
eingehend gewürdigt. So zeigt sich uns der Zug der fränkischen Entwick-