— 611 —
einen Staatsratb concentrirt und die einzelnen Ministerien sind nichts anderes
als Abtheilungen dieses Staatsraths. Allein diese Verordnung kam nicht zur
Ausführung. Sie wurde ersetzt durch die Verordnung vom 16. Dezember
1808, die heute noch die Grundlage der Organisation des preussischen Staats-
ministeriums bildet und den Sieg der anderen Anschauung bedeutet. Wohl
ist hier der Staatsrath beibehalten, in dem sich die oberste allgemeine Staats-
verwaltung unter der unmittelbaren Aufsicht des Monarchen vereinigen soll
und unter dem fünf Ressortministerien bestellt werden. Allein nur diese
traten ins Leben: „eine wohleingerichtete Ressortverwaltung war geschaffen,
aber es fehlte die Staats verwaltung“. Die auf HARDENBER@ zurückzuführende
Verordnung vom 27. Oktober 1810 half diesem Mangel ab, indem sie an die
Spitze der Verwaltung im Amte des Staatskanzlers den „vollendetsten
Ministerialdespotismus“ setzte. Dem Staatsrath blieb nur die Vorbereitung
und Vorberathung der Gesetze und allgemeinen Anordnungen. Daran hat
auch die Verordnung vom 3. Juni 1814, aus der die herrschende Meinung das
Collegialsystem als das die preussische Ministerialorganisation beherrschende
Princip ableitet, nichts geändert: sie hat nur die Möglichkeit eröffnet, den
Staatskanzler, falls er es wollte, durch das Staatsministerium zu ersetzen.
Zwar gelangte in der Verordnung vom 20. März 1817 der Gedanke des
Staatsraths zur Verwirklichung, allein in den bestehenden Einrichtungen der
Centralverwaltung wurde dadurch nichts geändert: in der Hauptsache sollte
der Staatsrath oberster Beirath der Krone in Sachen der Gesetzgebung sein,
aber an der Verwaltung selbst keinen Antheil haben. Auch die Verordnung
vom 3. November 1817 hat kein wirkliches collegiales Staatsministerium ge-
schaffen. Nicht einmal der Wegfall des Staatskanzlers (im Jahr 1822) hat an
den bestehenden Verhältnissen etwas geändert, und da die Verfassungsurkunde
von 1850 die Organisation der Centralbehörden nicht berührt hat, so ist das
ältere Recht in Kraft geblieben, soweit es nicht in einigen wenigen Punkten
aufgehoben worden ist. Wohl ist das Staatsministerium in einzelnen Fällen,
die der Verf. zusammenstellt, die berathende und beschliessende Behörde, aber
es sind dies doch immer nur einzelne Fälle. — Das wohlbegründete Ergebniss
der klaren und gründlichen Untersuchung ist also: es besteht in Preussen
ein collegiales Gesammtministerium nicht, vielmehr sind lediglich einzelne
von einander unabhängige Ressortminister vorhanden.
Leipzig. Rieker.
Franz Ulrich, Geh. Regierungs- und vortragender Rath im Ministerium der
öffentlichen Arbeiten. Personentarifreform und Zonentarif.
Berlin. Verlag von Julius Springer. 1892.
Der Verfasser entwickelt unzweifelhaft in dem vorliegenden Werke die
im Ministerium der Öffentlichen Arbeiten herrschenden Ansichten hinsichtlich
einer Personentarifreform. Er verwirft principiell die von HERTZKA, ENGEL
und PERROT vertretene Richtung, welche im Personenverkehr einen Zonen-