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tarif mit einer ganz geringen Anzahl von Zonen oder mit Vernachlässigung
jedes Entfernungsunterschiedes innerhalb des Landes einführen möchte. Es
werden dagegen folgende Gründe geltend gemacht: der Zonentarif, insofern
der Entfernungsunterschied nahezu aufgehoben werden soll, widerspricht
dem volkswirthschaftlichen Grundsatze, dass Leistung und Gegenleistung sich
entsprechen sollen. Denn beim Eisenbahntransport wachsen, wie der
Verfasser nachweist, die Beförderungskosten mit der Entfernung, während
bei Briefen und Telegrammen die Kosten fast lediglich durch die Abfertigung,
nicht durch die Beförderung erwachsen. Der Zonentarif würde also, un-
gerechtfertigter Weise, eine Begünstigung des Fernverkehrs zu Ungunsten
des Nahverkehrs in sich schliessen, da im Fernverkehr die Seibstkostenpreise
nicht aufgebracht werden könnten, welchen Ausfall der Nahverkehr aufzu-
bringen hätte. Die Verbilligung des Nahverkehrs sei aber für die grosse
Masse des Volks weit wichtiger als die Verbilligung des Fernverkehrs. Der
Gedanke einer so weitgehenden Ermässigung der Fahrpreise wie der Verein
„Zonentarif* sie vorschlägt, und der eventuellen Aufbringung der dadurch ent-
stehenden Kosten durch allgemeine Steuern, wäre überhaupt nur dann richtig
und gerecht, wenn der Vortheil dieser Fahrpreisermässigung gleichmässig allen
Bevölkerungsklassen zu Gute käme, was durchaus nicht der Fall sei.
Des Weiteren weist der Verfasser nach, dass der einen Nahverkehr mit
zwei und einem Fernverkehr mit 14 Zonen unterscheidende ungarische so-
genannte Zonentarif, auf dessen Erfolge sich die Anhänger des „Zonentarifes“
gern berufen, im Grunde genommen gar kein Zonentarif, sondern ein Ent-
fernungstarif ist, da der Fahrpreis im Grossen und Ganzen nach der Entfernung
berechnet wird und der Verkehr in der 14. Zone, d. h. in einer Entfernung
von mehr als 225 Km., wo allein die Entfernung unberücksichtigt bleibt, im
Gesammtverkehr fast gar keine Rolle spielt. Die grosse Hebung des Ver-
kehrs und der Einnahmen durch Einführung des neuen Tarifs in Ungarn
führt der Verfasser mit Recht auf die sehr bedeutende Herabsetzung der
früher sehr hohen Tarife zurück und auf die Vereinfachung des Betriebes bei
der Personenbeförderung.
Die wirkliche Eisenbahnpersonentarifreform erblickt der Verfasser in
einer allgemeinen bedeutenden Herabsetzung der Personentarife unter Be-
seitigung aller bestehenden Sonderbegünstigungen vornehmlich aber in einer
Beschränkuug der Fahrklassen im Personenverkehr, wodurch eine weit bessere
Ausnützung der Sitzplätze herbeigeführt werden würde.
Die gegen die Einführung des Zonentarifes vorgebrachten Gründe sind
durchaus überzeugend. Viele sich Anhänger des Zonentarifs nennende Re-
former dürften sich über das demselben zu Grunde liegende Princip, die
Ausserschtlassung der Entfernung, nicht recht klar sein und hierbei nur
im Allgemeinen an eine bedeutende Herabsetzung der Personentarife denken.
Berlin. A. Quitzke.