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lichen und nicht nothwendig durch den Austretenden selbst) erforderlich, dort
aber ausserdem nach Ablauf einer mässigen Bedenkzeit eine mündliche Er-
klärung zu Protokoll einer weltlichen Behörde (etwa Gericht), hier auf Grund
einer Bescheinigung der Austrittserklärung die Aufnahme in die andere
Confession (mittels interner Form). Die Rechtsfolgen seien gleichmässig zu
normiren für das bürgerliche und kirchliche Gebiet, für absoluten Austritt
und Confessionswechsel; die kirchliche Abgabenpflicht müsse noch einige Zeit
fortdauern, andererseits dürfe bei Confessionswechsel die Beitragspflicht zur
neuen Religionsgesellschaft ebenso lange ruhen.
Bei diesen legislatorischen Vorschlägen, über welche sich natürlich leb-
haft discutiren lässt, hat Scamipt wohl nur die Möglichkeit einzelstaatlicher
Gesetzgebung ins Auge gefasst; wenigstens spricht er den Wunsch reichs-
gesetzlicher Regelung mit Deutlichkeit nur wegen des religiösen Erziehungs-
rechtes der Eltern aus und scheint auch hier Bedenken gegen die Competenz
des Reiches zu empfinden (S. 274f.).
Die Sprache des Buches ist einfach, würdig und klar; Perioden, die man
mehrfach lesen muss, um ihren Bau zu übersehen, begegnen selten. Arg
missglückt ist der Satz auf S. 41: „Die Erklärung“ u. s. w. Selbst in die an
und für sich recht trockene Aufgabe der Sichtung des Quellenmaterials weiss
ScHmivt von Zeit zu Zeit einen anregenden, erfrischenden Hauch zu bringen,
indem er gründliche Erörterungen ausgedehnter Controversen anstellt oder
kleine rechtshistorische Skizzen einflicht (so S. 84ff. wegen Entstehung des
annus discretionis) oder die Verwandtschaft der Normen verschiedener Staaten
untersucht (z. B. S. 186, 205, 227 den Einfluss des preuss. Ges. v. 14. Mai
1873 auf Württemberg, Hessen, Reuss ä. L.).
Die Untersuchungen Scamipot's über die Quellenergebnisse dürften
einigermassen abschliessend sein; sie enthüllen zwar im Grossen und Ganzen
kein wesentlich neues Bild des geltenden Rechtszustandes, vertiefen aber (mit
Ausnahme der oben bei Besprechung des $ 6 angedeuteten Punkte, in wel-
chen sich Schmipt doch wohl nicht so kurz fassen brauchte) unsere Kennt-
niss der Einzelheiten in bedeutendem Maasse.
Königsberg. Richard Weyl.
Zur Kritik des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetz-
buchs für das Deutsche Reich:
1. von Liebe, Reichsgerichtsrath: Sschenrechtliche Erörterungen zu
dem Entwurf. Leipzig 1891. Verlag von C. L. Hirchfeld. VII u. 159 S.
2. Dr. Ad. Klewitz, Gerichtsassessor: Die Entschädigungsansprüche aus
rechtswidrigen Amtshandlungen unter Berücksichtigung des Entwurfs. Berlin
1891. Verlag von Puttkammer & Mühlbrecht. 140 S.
8. Dr. Emil Sehling, Professor der Rechte: Die religiöse Erziehung
der Kinder und der Entwurf. Erlangen und Leipzig 1891. Andr. Deichert'-
sche Verlagsbuchhandlung Nachf. (Georg Böhme).