Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

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im Widerspruche mit dem Selbstbestimmungsrechte ihrer Träger 
zu schützen habe; um die, besonders in der Geschichte der „laesio 
enormis“®) so klar sich wiederspiegelnde uralte Frage, bis zu 
welchem Maasse der Staat sich der „immensa cura singulorum“, 
wie LEIBNIZ*) sagt, entschlagen dürfe. Die jedesmalige Lösung dieser 
Frage in dem einen oder anderen Sinne gewinnt nicht nur auf 
politischem Gebiete, woran man vielleicht zuerst und vielfach zu 
ausschliesslich denkt, einen hervorragenden Einfluss, sondern ganz 
vornehmlich auch auf dem des bürgerlichen Rechtes und Pro- 
cesses, — wenngleich bei Letzterem, wie O. von BüLow treffend 
hervorgehoben hat (Arch. f. d. civ. Praxis Bd. 64 S. 90°°) die 
Wellenkreise der zeitweiligen Bewegung gewöhnlich weit später 
anlangen, dann freilich auch erst längerhin sich verlaufen. Ist 
in unserem Privatrecht schon ein Umschwung zu Gunsten einer 
3) Auf den Zusammenhang dieser Dinge habe ich kürzlich schon in 
meiner Schrift über das „Wohnungsmietrecht und seine sociale Reform“ 
hingewiesen: 8. 19 u. 78 (G. SCHMOLLERS staats- und socialwissenschaftliche 
Forschungen XII Heft 3). 
4) Rechtsphilosophisches aus LEIBNIZENs ungedruckten Schriften (Heraus- 
gegeben von Dr. G. MoruAr) 8. 10. Obwohl Leisnız sich hier zu dem Grund- 
satze bekennt: „ut nunc sunt homines, libertas iis potius reliquenda est con- 
sulendi sibi ipsis periculo suo,“ findet sich doch bei ihm, gerade über die hier 
in Rede stehende Frage der Ausgestaltung des Civilprocessrechts, folgende 
wichtige Bemerkung („Vorschlag über Verbesserung des Justizwesens,“ Bd. X 
S. 835 der Werke in der Kıiopp’sehen Ausgabe): — „es erfordert — das Amt 
der Richter, dass sie geachtet und befunden werden als Vormtinder, Verweser 
und Ratbgeber der Parteien zu ihrem Besten und Rechte, also den Parteien 
helfen, wo sie sich selbst und den Ihrigen nicht zu helfen wissen ; auch wohl 
aus Eigensinn, Nachlässigkeit oder Bosheit die Sache nicht recht vorstellen 
wollen. — Sollte derowegen von Seiten des richterlichen Amts auch in 
bürgerlichen Sachen geschehen, was in peinlichen geschieht, dass nämlich der 
Richter ex oflicio verfahre, gleichsam processum inquieitorium anstelle und 
auch durch selbst veranlassende Examine und interrogatoria alles vornehme, 
was die Wahrheit aufs Bchleunigste zu entdecken dient.“ Siehe auch W. von 
HumsoLpt, Grenzen der Wirksamkeit des Staate, Cap, XII Abs.1a.E. — Er- 
wähnenswerth ist es übrigens noch, dass auch LEIBNIz an jener Stelle, gewisser- 
massen als Schutz gegen richterliche Willkür, grossen Werth auf ausreichende 
Entscheidungsgründe legt (s. u.!.
	        
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