Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

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lich) durch den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Verhandlung 
vor dem erkermenden Gerichte in den bei der A. G.O. vielleicht 
bedenklichen Punkten von dieser vortheilhaft unterscheidet. In 
seinem eigentlichen Grundcharakter musste es sich ihr nähern, 
d. h. ın der ‚Steigerung‘ der richterlichen Befugnisse, wie 
MünLEnBRUCcH a. a. OÖ. sagt, in dem Streben, der richterlichen 
Mitwirkungspflicht im Processe neben dem Parteibetriebe die ihr 
vollauf gebührende. Stelle anzuweisen; nicht aber, sich auf die 
„Instructionsmaxime“ allein zu gründen, was gar nicht möglich 
ist und deshalb auch die A. G.O. nicht versucht, (PucHta a. a. O. 
S. 35). Der österreichische Gesetzgeber musste es thun, weil 
an das Dogma der „Interesselosigkeit des Staates am Streitobjecte“ 
(Wach bei GrünHUT, Zeitschr. VI., S. 548) und an die Unverträg- 
Zeit, auf RINTELEN, Civilprocess (1891) S. 812 ff., berufen. Man vergl. auch 
noch die Aufsätze von SCHERING u. REINHARD im Preuss. Just. M. Bl. 1849 
S 289 u. 272. 
Wie wenig man den Geist des preussischen Gesetzes verstand, dafür 
zwei Beispiele. In der Ausgabe von Dr. C. F. Kocz# (V. Aufl. 1864) findet 
sich zu $ 7 Einl. auf S. 2 die Anmerkung: „Dieser Fehlschluss ist — die 
Rechtfertigung der auf Bevormundung der „Unterthanen* beruhenden [!] Unter- 
suchungsmaxime und der damit verbundenen Beschränkung der Willensfrei- 
heit [!] der Parteien in dem Gebrauche ihrer Angriffs- und Vertheidigungs- 
mittel“ und zu $ 12 und Anh. $ 1 dazu (Erscheinen der Parteien in Person): 
„Diese Bestimmung ist völlig bedeutungslos [!]. In Civilprocessen kommt eine 
Befragung der Parteien vor Gericht — nicht vor, also ist das persönliche Er- 
seheinen nie erforderlich, ausser zu Eidesleistungen.“ (S. 3, Anm. 5b.) Und 
ein deutscher Schriftseller, der genannte GRIESINGER, scheut sich nicht, nach- 
dem er S. 38 die Untersuchungsmaxime für „die mündliche protocollarische 
Instruction der Processe“, die zu „Oberflächlichkeit und Uebereilung in den 
Verhandlungen“ [!] führe, erklärt hat, — er scheut sich nicht, sich gegen 
die Reformen FRırDRIcHs d. Gr. auf einen „scharfsinnigen französischen (e- 
lebrten® zu berufen, dessen Name nicht mitgetheilt wird, der aber „schon*® 
1770 geschrieben haben soll, es sei „unumgänglich nothwendig, dass die Par- 
teien gelehrte Sachwalter mit sich bringen, welche durch ein vorausgegangenes 
Studium der Gesetze, die den Richter im Rechtsprechen leiten müssen, sich 
fähig gemacht haben, der Unwissenheit sowohl der Parteien, als der 
“ Richtar selbst zu Hülfe kommen zu können!“
	        
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