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durch das Staatsrecht — speciell das deutsche Staatsrecht — hindurch sich
vollzog. Der zweite Theil sucht auf der so gewonnenen historischen Grund-
lage eine Theorie des heutigen Rechtes zu geben.
Die Einleitung stellt den Begriff der Staatsdienstbarkeit in der mo-
dernen Rechtswissenschaft und Staatenpraxis fest und enthält die verschie-
denen Definitionen der angesehenen Rechtslehrer (HäneL, RÖNNE, v. SaRrwEY,
V. GERBER, HEFFTER, BLuntscHLı, BULMERINcQ) und eine Aufzählung der
wichtigsten neusten Präzedenzfälle (Besatzungsrecht der Schweiz in gewissen
Theilen von Nordsavoyen, Frage der Befestigung von Hüningen, Neufund-
länder Fischereifrage). Umfassend behandelt Abtheilung I die historische
Entwicklung der Lehre von den Staatsdienstbarkeiten (Lehre im Staats-
rechte des alten deutschen Reiches bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, in
der naturrechtlichen Schule des Völkerrechtes, im positivem Völkerrechte, in
der neueren Reichspublicistik und im modernen Völkerrechte). Zur Zeit des
früheren deutschen Reiches bestanden zwischen deutschen Einzelstaaten sehr
zahlreiche Staatsservituten. Die Zahl derselben verminderte sich erheblich
durch die Beseitigung vieler kleiner Staatsgebilden in den Jahren 1803 und
1806, sowie durch den in Art. 34 der Rheinbundsacte ausgesprochenen gene-
rellen Verzicht der Mitglieder des Rheinbundes auf alle ihnen an den Län-
dern anderer Mitglieder zustehenden actuellen Rechte. Die durch die
Wiener Congressacte bestimmten Gebietsgestaltungen gaben zur vertrags-
mässigen Constituirung von Etappenrechten Anlass; diese Servituten sind
aber theils in Folge der Aenderungen in 1866 untergegangen, theils verloren
sie durch Herstellung der militärischen Einheit ihre Bedeutung. Die auf
Militärconventionen zwischen Preussen und den kleineren Staaten beruhenden
Rechte können, soweit jene Conventionen unkündbar sind, als Staatsservituten
betrachtet werden. Dasselbe gilt von den auf besonderen Verträgen beruhen-
den Befugnissen Preussens, in einigen kleineren Staaten die Zölle zu verwalten
oder Gerichtsbarkeit auszuüben. Zahlreiche noch bestehende Staatsservituten
zwischen deutschen Einzelstaaten sind durch Eisenbahnverträge begründet.
Von allgemein völkerrechtlicher Bedeutung und in der Staatenpraxis häufig
hervorgetreten sind nach S. 182ff. 1) Militärische Staatsdienstbarkeiten, wie
Besatzungsrechte, Durchgangsgerechtsame, Recht eines Staates, ein gemein-
schaftliches Meer ausschliesslich mit eigenen Kriegsschiffen zu befahren.
Ferner: negative und passive Staatsservituten, wie: Nichtbefestigung gewisser
Grenzstriche, Wüstlegung gewisser Grenzdistricte, Neutralisirung von Ge-
bieten und Gebietstheilen. 2) Wirthschaftliche Servituten wie: Fischereirechte,
forstliche Nutzungen, Verkehrsservituten (hierüber die häufigsten und wich-
tigsten die Eisenbahnservituten), postalische und telegraphische Veranstaltungen
in fremdem Staatsgebiet, Kanalservituten.
Die Staatsservituten entstehen fast einzig und allein durch Verträge.
Die Begründung erfolgt entweder in einem Specialvertrag oder in allgemeinen
Verträgen, durch welche auch andere Vereinbarungen getroffen werden, ins-