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Gerichten eine Zusammenstellung dieses verworrenen, labyrinthmässigen
Rechtes in der Form eines Gesetzbuchs gebe.
Von diesem richtigen Gedanken geleitet, haben die Verfasser vorliegen-
des Werk geschrieben, dem sie, um es den französischen und belgischen
Juristen praktisch und handlich zu machen, bei Ordnung der Rechtsmaterien
die Titel des Code Napoleon zu Grunde legten, wobei sie jedoch dem Per-
sonen-, Familien- und Erbrecht eingehendere Darstellung als dem übrigen
Rechtsstoff, wie: Sachenrecht, Obligationenrecht u. s. w. widmeten, dies da-
mit begründend, dass der letztere Rechtsstoff ausserhalb Deutschlands weniger
häufige Anwendung finde. Ich muss dies für einen Mangel des Werkes er-
klären, dasselbe erscheint dadurch ungleich in seiner Bearbeitung. Der
eigentlichen Darstellung ist eine historische Einleitung vorausgeschickt, die
in etwas zu gedrängter Kürze eine im Uebrigen recht übersichtliche Ge-
schichte des deutschen Rechts giebt, bei welcher jedoch manchmal zum
Schaden der Wissenschaftlichkeit ein etwas zu popularisierender Ton an-
geschlagen wird (so wird z.B. u. a. die bekannte Scene aus Goethe’s Götz
von Berlichingen im Auszug mitgetheilt, jene Scene, in welcher der Doktor
Olearius dem Bischof von Bamberg über die nur widerwillige Aufnahme
des römischen Rechts in Deutschland so köstliche Auseinandersetzungen
macht).
Als weiteren Mangel der rechtshistorischen Einleitung muss ich den
bezeichnen, dass die Verfasser, wo sie von den Üodificationen in Deutschland
sprechen, die in der Mitte des vorigen Jahrhunderts begonnen haben, auch
mit keiner Silbe des trefflichen österreichischen bürgerlichen Gesetzbuchs er-
wähnen, das bekanntlich, was sein auf dem germanischen Parentelensystem
beruhendes Erbrecht anlagt, mustergiltig ist. So wird auch, was gleichfalls
gerügt werden muss, bei der Hinweisung auf die empfehlenswerthen Be-
arbeitungen der Partikularrechte das ausgezeichnete Werk Ungers „System
des österreichischen allgemeinen Privatrechts“, dies Meisterwerk deutscher
. Jurisprudenz, mit Stillschweigen übergangen.
Ueberhaupt ist es unbegreiflich, dass die Verfasser in der eigentlichen,
nach dem System des Code Napoleon geordneten Darstellung ihrer Aufgabe
(fast) ganz das österreichische bürgerliche Gesetzbuch ignoriren, was ich als
den Hauptfehler des Buch bezeichne, zumal sich das gemeine Recht Deutsch-
lands in manchen seiner Theile, wie: Verlagsrecht, Versicherungsrecht, Leib-
rentenvertrag gar nicht darstellen lässt, ohne auf jenes Gesetzbuch einzu-
gehen, da die gemeinrechtliche Theorie dieser Materien, wie sie sich all-
mählich herausgebildet hat, auf dem Österreichischen Gesetzbuch, wenigstens
zum Theile, und zwar zum grossen Theile beruht.
Dem Werke selbst ist ausser einem ziemlich mangelhaften Register ein
sog. geographischer Index beigegeben, dessen Anordnung die Nachforschung
bei örtlichen deutschen Gesetzescollisionen erleichtern soll. Den Schluss des
Ganzen bilden zwei Karten über den Geltungsbereich der verschiedenen