Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zehnter Band. (10)

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sichtlich wieder, um sie im vierten Capitel gründlich zu kritisiren. ‚Verfasser 
kommt zu dem Schlusse, dass die negativen Gründe überwiegende Stärke 
haben; nur in Bezug auf solche Productionszweige lässt er eine Ausnahme 
zu, bei denen plötzlicher Stillstand eine „gemeine Gefahr“ verursachen würde. 
Dagegen werden am Schlusse alle möglichen anderen Massregeln zur Ver- 
hinderung des Contractbruches durchgenommen, und nach Ablehnung der 
allgemeinen Aufhebung der Kündigungsfristen, der Aufhebung des Rechts 
auf Armenunterstützung, der Wiedereinführung des Lohnarrestes, des Arbeits- 
buches, andere Massregeln als „die rationellen“ empfohlen, nämlich 1. der 
sog. Decompte — eine in der Schweiz vielfach übliche Geldbürgschaft, die 
vom Arbeiter gefordert wird —, 2. die obrigkeitliche Ueberwachung der 
Fabrikordnungen, 3. die Bestrafung der öffentlichen Aufforderung zum Con- 
tractbruch, 4. die Gewerbegerichte, 5. die Vereinfachung der Schadenersatz- 
klage, 6. die Einrichtung von Einigungsämtern, 7. die Förderung der Gewerk- 
vereine, 8. die Errichtung von Arbeiterausschüssen, 9. die Sorge für Arbeiter- 
wohnungen und Sparkassen, 10. besondere Massregeln für den Lehrvertrag. 
In Bezug auf den gesammten Inhalt und auf seine begriffliche Grund- 
lage möchte ich zwei Anmerkungen machen. 1, Der Herr Verfasser betrachtet 
mit allen Neueren den Arbeitsvertrag als Kauf einer Waare; er drückt sich 
freilich etwas zaghaft darüber aus, indem er sagt: der freie Arbeitsvertrag 
setze die Bedingungen für die Ueberlassung der Arbeitskraft zwischen Arbeit- 
geber und Arbeiter fest und lasse sich „daher“ wohl mit einem reinen Kauf- 
geschäft „vergleichen“. Begrifflich, mithin juristisch, handelt es sich nicht 
um Vergleichungen, sondern um Subsumtionen. Die Gründe dafür, die Ar- 
beitskraft als eine Waare, und den Arbeitsvertrag als ihren Verkauf zu 
denken, werden von den Neueren nicht erörtert. In Wahrheit ist diese 
Auffassung in der Jurisprudenz keineswegs aufgenommen, sondern es hat sich 
die römische Subsumtion unter dem Begriff der Miethe erhalten, und die 
Entscheidung für jene neuere, durch die politische Oeconomie empfohlene 
Ansicht würde offenbar starke Folgen, auch für das Thema der vorliegenden 
Abhandlung, den Bruch des Arbeitsvertrages, haben. Die Sache erforderte, 
dass dieses Problem vorgelegt und, wenn möglich, gelöst wurde. Die histo- 
rischen Vorfahren des modernen Arbeitsvertrages, die der Verfasser als „Arten 
der Arbeitsverträge“ (man bemerke den Plural) neben den charakteristischen 
Verträgen der Fabrikarbeiter und der Bergarbeiter anführt, sind sammt und 
sonders, in mehr oder minder ausgeprägter Weise, Dienst-Verträge, und 
für diese ist offenbar nur der Begriff der Miethe angemessen; ihr Object 
ist aber nicht die Arbeitskraft als etwas was die Person besitzt und ver- 
äussern kann, sondern die Person selber: denn seine Arbeitskraft in Bezug 
auf eine bestimmte Zeit und ein bestimmtes Werk kann man nicht ver- 
miethen, sondern nur „die Arbeit“ selber, insofern sie der Person anhängt 
und von ihr auch in der Idee nicht getrennt wird. Echte Dienstverträge 
aber begründen ein besonderes gegenseitiges Verhältniss, dessen regelmässige
	        
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