Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zehnter Band. (10)

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das Universalreich der abendländischen Kirche, das kirchen- 
politische System des Mittelalters, welches auf der Ueberordnung 
der Kirche über den Staat beruht, inaugurirte. Später, im 12. 
und im 13. Jahrhundert gelangte dieses System unter den Päpsten 
Innozenz III., Innozenz IV. und Bonifaz VIII. zur Ausbildung, 
unter dem letzteren sogar zur dogmatischen Formulirung in der 
Bulle Unam Sanctam vom Jahre 1302. Die kirchliche Strafe 
muss vom Staate exequirt werden. Auf den Wink des Priesters 
hat das weltliche Schwert die Scheide zu verlassen, sagt Boni- 
faz VIII. in der genannten Bulle. (De maioritate et oboedientia, 
Extravag. commun. 1,8.) Auch in Bayern herrschte unter der 
Regierung der Welfen diese kuriale Auffassung. 
Erst in der nun folgenden Periode einer Reaktion gegen das 
Papalsystem ergreift die Staatsgewalt im Kampfe mit der Kirche 
Massregeln, von denen sich manche im Allgemeinen wenigstens 
mit den sog. Kirchenhoheitsrechten decken, in dieser Zeit finden 
wir auch die erste Spur eines placetum regium’”. 
Dass jedoch diese Massregeln einen Bestandtheil der damaligen 
Rechtsordnung gebildet hätten, lässt sich nicht behaupten, viel- 
mehr wurden sie in jener Zeit des Kampfes zwischen Kaiserthum 
und Papstthum unter Ludwig dem Bayer entsprechend der Art 
des Kampfes, der sich weniger auf dem Rechtsboden, als auf dem 
Boden der Macht bewegte, mehr willkürlich geübt. 
Den Charakter des Rechtssatzes empfängt das placetum 
regium unter Georg dem Reichen, der in der Landesordnung 
von 1491 bestimmt, dass „ainich preves bullen oder anders in 
” Die weltliche Obrigkeit respektirte nicht mehr ohne weiteres jede 
Exkommunikation, sondern behielt sich ein Urtheil über deren Rechtmässig- 
keit vor. 
FRIEDBERG a. a. O. S. 59. 
8 Die Rede des Staatsministers Dr. Freiherrn vox Lutz in der Sitzung 
der Kammer der Abgeordneten vom 6. Nov. 1889, Sten. Ber. IV, S. 160, 
gibt eine Uebersicht der bayerischen Gesetze und Verordnungen über das 
placetum regium von Georg dem Reichen an.
	        
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