Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zehnter Band. (10)

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anderes gesagt, als dass ein Verzicht auf das Recht, Einholung 
des Placet zu verlangen, dann unzulässig ist, wenn sich im gelten- 
den bayerischen Kirchenstaatsrechte kein Rechtssatz findet, der 
ihn gestattet. Ein solcher Rechtssatz ist aber im geltenden 
Kirchenstaatsrechte weder ausdrücklich enthalten, noch ist er, wie 
diese Untersuchung ergeben wird, aus dessen Bestimmungen 
wissenschaftlich abzuleiten. 
Vergleich mit dem recursus ab abusu. 
Zur Beantwortung der zu lösenden Frage dient eine Be- 
trachtung des den recursus ab abusu enthaltenden 8 52 des 
Religionsediktes im Zusammenhalt mit 8 58 desselben. 
& 52 des Religionsediktes lautet: 
„Es steht aber auch den Genossen einer Kirchengesellschaft, 
welche durch Handlungen der geistlichen Gewalt gegen die fest- 
gesetzte Ordnung beschwert werden, die Befugniss zu, dagegen 
den Königlichen Landesfürstlichen Schutz anzurufen“. 
Diesen Rekurs kann das Iudividuum auch gegen Publikation 
und Exequirung einer unplacetirten kirchlichen Anordnung, wenn 
es dadurch beschwert wird, einlegen: Die Vorschrift des 8 58 
des Religionsediktes über das placetum regium gehört zur fest- 
gesetzten Ordnung im Sinne des & 52. Kann nun die Staats- 
gewalt in einem einzelnen Falle auf ihr Recht, die Einholung des 
Placet zu verlangen, Verzicht leisten und thut sie das, so ist für 
diesen besonderen Fall die Vorschrift, dass zur Verkündung und 
Vollziehung kirchlicher Gesetze das Placet eingeholt werden 
müsse, nicht vorhanden, sie gehört in diesem Falle nicht zur fest- 
gesetzten Ordnung, wir gelangen also zu der absurden Konse- 
quenz, dass die Staatsgewalt, d.h. der Monarch unter Gegen- 
zeichnung des Ministeriums das eigenthümliche Recht hätte, die 
„festgesetzte Ordnung“ anzutasten, ein Gesetz und noch dazu ein 
kann aber auch durch Aufhebung dieses Rechtssatzes zur Pflicht gemacht 
werden, wie dies neuerdings in Belgien geschah.
	        
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