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& 51 ist deshalb zu interpretiren wie folgt:
Wenn die Kirchengewalt die Grenzen ihres eigentlichen
Wirkungskreises irgendwo überschreitet, d. h. die Verfassung
irgendwie verletzt, sei es durch Nichterholung des Placet gerade
zu demjenigan kirchlichen Gesetze, gegen dessen Verletzung sie
den weltlichen Arm anruft und durch Verkündung und Voll-
ziehung gerade dieses (fesetzes, sei es durch irgend eine Hand-
lung, die mit dem geistlichen Erlasse, für welchen der weltliche
Arm gewünscht wird, nicht in Zusammenhang steht, dann darf
ihr der Schutz der Staatsgewalt versagt werden, i. e. er darf ihr
auch gewährt werden.
Wenn also der Kirche der weltliche Arm gewährt wird, ob-
wohl sie die Grenzen ihres eigentlichen Wirkungskreises über-
schritten hat, so liegt darin im Allgemeinen keine Verfassungs-
verletzung, wenn ihr nur nicht etwa ein Rechtsanspruch auf den
polizeilichen Schutz, den sie verwirkt hat, zugestanden wird. Es
kann jedoch diese Handlungsweise der Staatsgewalt eine Ver-
fassungsverletzung in sich schliessen, dann nämlich, wenn es sich
um Gewährung des weltlichen Armes gerade zu einem unplace-
tirten kirchlichen Gesetze handelt, zu einem Gesetze, durch dessen
Publikation und Exequirung die Kirchengewalt die Verfassung
verletzt hat, denn Ertheilung des bracchium saeculare in diesem
Falle wäre nichts anderes, als Vollziehung des kirchlichen Ge-
setzes, unplacetirte kirchliche Gesetze dürfen aber nicht verkündet
und nicht vollzogen werden gemäss & 58.
Wir unterscheiden drei verschiedene Fälle:
1. Die Kirchengewalt publizirt und exequirt ein kirchliches
(sesetz, zu welchem das Placet nicht eingeholt oder zwar nach-
gesucht, aber nicht ertheilt wurde. Die Grenzen ihres eigent-
der Staat eine solche Strafe wegen Hausfriedensbruches aussprechen, so
wäre das nichts anderes als ein Vollzug eines nicht placetirten Gesetzes von
Seite des Staates, ein solcher Vollzug ist aber nicht durch $ 51, sondern
durch $ 58 verboten.
Archiv für öffentliches Recht. X. 2. 14