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lichen Wirkungskreises sind damit überschritten, ihr Rechts-
anspruch auf polizeilichen Schutz ist verwirkt; der weltliche Arm
darf der Kirche ganz allgemein versagt werden, zu diesem speciellen
Gesetze aber muss er sogar versagt werden.
2. Zu einem geistlichen Erlasse ist das Placet eingeholt und
ertheilt worden, aber die Kirchengewalt hat sonst irgendwie z. B.
durch Publikation und Exequirung eines anderen, eines nicht
placetirten Gesetzes die Grenzen ihres eigentlichen Wirkungs-
kreises überschritten. Da der Rechtsanspruch auf den Schutz
der Staatsgewalt damit ganz allgemein verwirkt ist, so hat die
Kirchengewalt auch kein Recht mehr, den Schutz der Staats-
gewalt gegen eine Verletzung des erstgenannten placetirten Er-
lasses zu erhalten: er darf ihr verweigert werden *®.
3. Es liegt ein placetirtes kirchliches Gesetz vor. Durch
Verkündung und Vollziehung dieses Gesetzes kann also die
Kirchengewalt die Verfassung ($ 58 des Religionsediktes) nicht
verletzen. Aber auch ausserhalb dieses kirchlichen Gesetzes hat
sie, wie wir nun annehmen, die Grenzen ihres eigentlichen
Wirkungskreises nicht überschritten. In diesem Falle, sollte man
meinen, müsse der Kirche unter allen Umständen der Rechts-
anspruch auf polizeilichen Schutz gemäss $ 51 zugebilligt, und der
weltliche Arm für jenes placetirte Gesetz gewährt werden. Den-
noch ist das nicht richtig; es beruht diese Interpretation auf
einer unrichtigen Auffassung des Verhältnisses der beiden mehr-
fach genannten Paragraphen des Religionsediktes, auf der Auf-
46 Hmnscaivs, Staat und Kirche in Marquardsen’s Handbuch des öffentl.
Rechts, Bd. I 1, 8.370 Anm. 1 ist darnach zu berichtigen. Dieser Schrift-
steller sagt, es sei die rechtliche, aber praktisch allerdings fast nicht durch-
führbare Konsequenz der Nichtnachsuchung des Placet zu den vatikanischen
Beschlüssen, dass die vatikanischen Katholiken nicht mehr als Katholiken
mit den Rechten einer öffentlichen Kirchengesellschaft anerkannt würden.
M. E. wäre das eine der beiden möglichen rechtlichen Konsequenzen: der
Schutz darf ihr verweigert werden, er darf ihr aber auch gewährt werden.
Vgl. übrigens Seyper a. a. O. Bd.VI, $. 205.