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kein nach & 58 verbotener Vollzug nicht placetirter kirchlicher
Gesetze vor.
Handelt es sich nun weiter um das Dogma vom Ehren- und
Jurisdiktionsprimat des Papstes, so ist dasselbe placetirt, es darf
vollzogen werden, es muss aber nicht vollzogen werden (8 51 des
Religionsediktes®2). Es wird folglich dadurch an dem soeben ge-
wonnenen Resultate nichts geändert.
Eine solche Aenderung tritt aber ein, wenn das andere
Dogma, das die Basis des Urtheiles der kirchlichen Behörde mit
bildete, das Dogma von der unbefleckten Empfängniss Mariä, mit
in Betracht kommt. Dieses hat das placetum regium nicht er-
halten, es darf nicht vollzogen werden.
Eine Ausschliessung der Altkatholiken aus der katholischen
Kirche aus beiden Gründen, wegen Leugnung des Dogmas
vom Ehren- und Jurisdiktionsprimate des Papstes und des
Dogmas von der unbefleckten Empfängniss Mariä, ist also ver-
fassungswidrig.
Es standen nach dem Ausgeführten damals der Staatsregie-
rung zwei verfassungsmässige Wege offen. Nicht nur um einen
Vollzug des Vaticanum, sondern auch um einen Vollzug der Bulle
Ineffabilis Deus konnte es sich nicht handeln, es blieb als An-
griffspunkt der Operation nur das Dogma vom Ehren- und Juris-
diktionsprimate des Papstes. Dieses durfte vollzogen werden
(8 58 des Religionsediktes), aber verpflichtet zum Vollzuge, der
62 Unrichtig auch AnoLr MAvErR, Zur Lösung der Altkatholikenfrage in
Bayern. Erlanger Inauguraldissertation 1891, S. 27: „Was den Grund zur
ersten Exkommunikation (wegen des Primats) anbetrifft, so ist die Regie-
rung zweifellos zur Durchführung einer derart motivirten Ausschliessung be-
rechtigt und verpflichtet“ S. 20: „Pflicht der Kirchenbehörde war
es nur, das Resultat ihrer Untersuchung dem Staate mitzutheilen unter dem
Beifügen, — wie es ja auch nur der Staat verlangte, — dass sich diese
Sentenz für den Fall, dass sie condemnatorisch lautete, nicht auf die vati-
kanischen Beschlüsse stütze; für jede anders motivirte Ent-
scheidung war der Staat verfassungsmässig zur Voll-
streckung verbunden...“