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lich dann, wenn diese längere Geschäftsjahre hindurch in ihrer
Zusammensetzung verblieben ist. Jedes Mitglied eines Kollegial-
gerichts weiss von aem Vorhandensein solcher „Praxis“. Vom
Standpunkte einheitlicher Rechtsprechung ist sie auch nicht zu
tadeln; der Justizverwaltung aber würde sie zu einer Handhabe
werden, bestimmte Arten der Rechtsprechung herbeizuführen,
wenn es ihr ermöglicht wäre, die Entscheidung hestimmter Sachen
ihren Rechtsanschauungen nach bekannten Kammern zu über-
weisen.
Dieser Anschauung wurde Seitens des Abgeordneten LASKER
in der Begründung seiner die Kammerbildung betreffenden Vor-
schläge dahin Ausdruck gegeben‘, der Schutz, welcher durch un-
abhängige Gerichte gewährt werde, gehe verloren, wenn es die
Verwaltang in der Hand habe, für die einzelnen Kategorien von
Rechtssachen diejenigen Richter auszusuchen, von denen vermöge
ihrer Anschauungen oder Gesinnung zu erwarten sei, dass sie
nach einer bestimmten Richtung hin Recht sprechen würden;
welche Bedeutung dies für politische Fragen haben würde, liege
auf der Hand.
An der Hand des gewonnenen Prinzips soll nunmehr eine
Würdigung der 88 61—63, 65, 69 Abs. 1 des Entwurfs eines
Gesetzes betreffend Aenderungen und Ergänzungen des Gerichts-
verfassungsgesetzes erfolgen.
Diese Paragraphen unterscheiden sich von den betreffenden
Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzos in seiner jetzigen
Gestalt inhaltlich dadurch,
dass die Vertheilung der Mitglieder in den einzelnen Kam-
mern, die Bestellung ihrer regelmässigen Vertreter in Behinde-
rungsfällen und die Vertheilung der Geschäfte unter die ein-
zelnen Kammern derselben Art, welche zur Zeit durch das
Präsidium erfolgt, der Landesjustizverwaltung übertragen wird ;
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