Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zehnter Band. (10)

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Missbrauch des Vereins- und Versammlungsrechtes in Kraft er- 
halten werden. Wenn Art. 4 Abs. 16 R.-V. sich des Ausdruckes 
„Vereinswesen“ bedient, so ist anzunehmen, dass hiermit die poli- 
tischen und die nichtpolitischen Vereine zu verstehen sind. 
Zweifellos erstreckt sich hiernach die Kompetenz des Reichs auf 
das gesammte Gebiet des Vereinsrechtes, während für die privat- 
rechtliche Genossenschaft oder Handelsgesellschaft Art. 4 Abs. 13 
massgebend erscheint. Der Versuch, ein Reichvereinsgesetz zu 
schaffen, beschränkte sich seinerzeit auf die privatrechtliche Seite 
des Vereinswesens, ihn enthält der Gesetzentwurf des Abgeord- 
neten SCHULZE-DELITZSCH vom 4. Mai 1869, der nach vorgängiger 
Kommissionsberathung in der Sitzung vom 21. Juni 1869 vom 
Reichstage angenommen wurde, zu einer abschliessenden Erörte- 
rung im Bundesrathe jedoch wegen der drohenden kriegerischen 
Verwickelungen nicht gelangte. Unter diesen Umständen brachte 
SCHULZE-DELITZSCH seine Vorschläge in der durch die frühere 
Kommissionsberathung erlangten Form unterm 18. April 1871 
bei dem ersten deutschen Reichstag wieder ein. Auf den Inhalt 
und das weitere Schicksal dieser Vorschläge einzugehen ist hier 
deshalb nicht angezeigt, weil dieselben lediglich die privatrecht- 
liche Seite der Vereine in’s Auge fassten, indem sie an Stelle des 
Systems der Konzession dasjenige der Normativbestimmungen 
setzten und bestimmten, dass jeder Verein zu einem nicht ver- 
botenen Zwecke bei Erfüllung gewisser Bedingungen durch An- 
erkenntniss Seitens des Gerichts die Rechte der juristischen Per- 
sönlichkeit erlangen solle, wobei jedoch hinsichtlich der Frage, in 
welchem Umfange Vereine überhaupt zugelassen seien, sowie über- 
haupt hinsichtlich der öffentlich-rechtlichen und polizei- 
lichen Seite die Vorschriften der Gesetze der Einzelstaaten auf- 
recht erhalten blieben. Lediglich im $ 30 war bestimmt, dass 
ein Verein, „welcher durch gesetzwidrige Handlungen oder Unter- 
_ lassungen das Gremeinwohl gefährdet“, durch strafgerichtliches Er- 
kenntniss auf Betreiben der höheren Verwaltungsbehörde aufgelöst
	        
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