Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zehnter Band. (10)

— 248 — 
in Wirklichkeit unter dessen Deckmantel Politik treiben, machtlos 
bleiben, wenn sie nicht auch die politischen Vereine strengeren 
Massnahmen unterwerfen wollte. Keineswegs erhält aber durch 
diese Tendenz die Vereinsfreiheit der Staatsbürger eine Einbusse, 
sondern die Staatsgewalt sucht durch diese Massnahmen die 
Sicherheit der Bürger zu wahren und eine starke Regierung im 
Lande zu erhalten. Die energische Aufrechterhaltung der öffent- 
lichen Ordnung ist gerade in denjenigen Staaten der leitende 
Grundsatz der Gesetzgebung geworden, in welchen das Wohl der 
Bevölkerung überwiegend durch die Massnahmen der Staatsgewalt 
gefördert wurde. Dagegen beanspruchen die Staatsbürger in den 
anderen Staaten, in welchen die Volkswohlfahrt mehr der eigenen 
Thätigkeit des Bürgerthums zu danken ist, eine grössere politische 
Freiheit. Sie regieren sich gewissermassen selbst und wollen des- 
halb in ihrem Willen möglichst unbeengt sein. In solchen Staaten 
fordert die Bevölkerung für die Vereinsgesetzgebung 2) die nur 
im nothwendigsten Falle beschränkte Ausübung der 
Vereinsfreiheit. Man begründet die liberale Gestaltung des 
Associationsrechts durch den Hinweis: „Die Formen des öffent- 
lichen Lebens möglichst günstig für die ausgedehnte Theilnahme 
des Volkes an der Pflege seiner Interessen zu gestalten, und im 
Vertrauen auf die Besonnenheit und den gesetzestreuen Sinn des 
Landes dem Entwurfe eines Gesetzes über Vereine und Versamm- 
lungen das freie System zu Grunde zu legen.“ Auf diesem liberalen 
Boden stehen die Gesetze von Baden (21. Okt. 1867), Gotha 
(3. Mai 1852), Württemberg (2. April 1848 und 27. Dez. 1871) 
und in mancher Beziehung die von Weimar?, Die Gesetze der 
deutschen Einzelstaaten scheiden in der Mehrzahl die Versamm- 
lungen von den Vereinen nicht. Man schnitt die Gesetze für ein 
politisches Associationswesen zu, welches in den Jahren der poli- 
® 8. Aufsatz von Dr. BERGER: Politik der deutschen Vereins- und Ver- 
sammlungsgesetze im Verwaltungsarchiv, Zeitschrift für V.-Recht und V.- 
Gerichtsbarkeit. Bd. 1, Heft 6, 1893, S. 559 fgd.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.