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muss der Bundesregierung nicht nur das Recht zustehen, die
Versammlungen solcher Vereine, welche ohne im Besitz einer be-
sonderen staatlichen Anerkennung bezw. (Genehmigung zu sein,
sich mit öffentlichen Angelegenheiten beschäftigen, obrigkeitlich
überwachen zu lassen, sondern es muss den betr. obrigkeitlichen
Abgeordneten auch überall die Befugniss eingeräumt werden, jede
Versammlung eines solchen Vereins aufzulösen, sofern entweder
die ihren Zusammentritt bedingenden Förmlichkeiten nicht be-
achtet worden sind, oder aber der Inhalt der Verhandlungen eine
in der Nothwendigkeit der Aufrechthaltung der Gesetze, sowie
der öffentlichen Sicherheit und Ordnung begründete Veranlassung
darbietet*. In einzelnen Staaten verkündigte die Regierung im
(Gresetzesblatte jenen Beschluss zur Nachachtung, z. B. in Würt-
temberg, Hannover, Hessen '® u. s. w., er blieb in den kleineren
Staaten, bei dem Mangel von Vereinsgesetzen, meistens mass-
gebend!*. De jure muss er hier auch noch als Rechtsquelle an-
gesehen werden. Zwar hatte in der 27. Sitzung der Bundes-
versammlung vom 10. Juli 1862 Baden beantragt, diesen
Bundestagsbeschluss aufzuheben und den Bundesregierungen die
landesgesetzliche Regelung des Vereinswesens zu überlassen’,
der Antrag blieb jedoch in dem politischen Ausschuss begraben
und es wurde seitdem kein weiterer Schritt zur förmlichen Auf-
hebung unternommen. Bei dem Mangel eines positiven Rechtes
musste deshalb in den einzelnen Staaten zur Gewinnung von
Regeln auf den staatsrechtlichen Grundbegriff der Polizeigewalt
rekurrirt werden, inhaltlich dessen es zu den Rechten und Pflichten
der Polizei gehört, den die staatliche Ordnung bedrohenden Ge-
fahren zuvorzukommen und wirklich entstandene Gefahren zu
beseitigen, in specie strafbaren Handlungen thunlichst vorzu-
15 In Hessen im Regier.-Bl. v. 1854, S. 302 ft.
18 S, v. Rönne, Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. I, S. 189.
ı 8. Protocolle der B.-Versammlung v. 1862, S. 229.