— 351 —
zur Beseitigung der Missstände entwickelt‘. Minder auffallend
tritt die Mitarbeit der evangelischen Kirche hervor: schon des-
halb, weil es ihr an einer zentralen Oberleitung fehlt, die urbi
et orbi einheitliche Vorschriften diktiren oder auch nur Vor-
schläge unterbreiten könnte; nichts destoweniger ist aber auch
die evangelische Kirche thätig gewesen, indem die kirchlichen
Behörden und Organe für ihre territorialen Wirkungskreise der
Geistlichkeit Anweisungen ertheilt haben‘.
Zweifellos müssen Staat und Kirche bei der Lösung der
sozialen Probleme Hand in Hand gehen und sich wechselseitig
unterstützen. Während aber der Staat in der Lage ist, den
einschlägigen Bedürfnissen der Kirche im Wege positiver Förde-
rung, durch seine Gesetzgebung Rechnung zu tragen®, ist die
Kirche ihrerseits nicht befugt und berufen, die Massnahmen des
* Hierauf kommt der Papst auch gegen Ende seiner Encyclica:
Praeclara gratulationis publicae testimonia vom 20. Juni 1894 (abgedruckt
im Archiv für katholisches Kirchenrecht, Bd. 72 [Neue Folge Bd. 66],
Mainz 1894, S. 386ff., insbes. S. 395) mit kurzen Worten zurück.
5 Beispiele sind folgende: Schlussverhandlung der Preussischen General-
synode vom 3. Dez. 1891 (vgl. Monatsschrift für innere Mission,
herausg. von SCHAEFER, Bd. XII, Gütersloh 1892 S. 429f. und 437, sowie
v. Nartausıus 1, 8. 3£f.); Erlass des Königlichen Landeskonsistoriums zu Han-
nover vom 26. Aug. 1890 (Monatsschr. f. innere Mission, Bd. XI, 1891,
S. 209 fi.); Erlass des evangelischen Öberkirchenraths vom 17. April 1890
(ebenda S. 213 ff.); Erlass des Generalsuperintendenten des Konsistorialbezirks
Kassel vom 26. Nov. 1890 (ebenda S. 218ff.); Ansprache des General-
superintendenten von Schlesien an die Geistlichkeit vom 1. Jan. 1891 (ebenda
S. 243ff.); Erlass des Herzoglich Braunschweigisch-Lüneburgischen Konsi-
storiums vom 18. Juni 1890 (ebenda 8. 311f.) und Erlass des evangelisch-
lutherischen Landeskonsistoriums für das Königreich Sachsen vom 8. Mai 1890
(ebenda S. 346 ff.).
® Beispiele bietet das sog. „Arbeiterschutzgesetz“ des Deutschen
Reiches (Novelle zu Tit. VII der Gewerbeordnung) vom 1. Juni 1891
(Reichsgesetzbl. S. 261) $$ 4la, 5öa, 10da bis i, 136III, 137II, indem es
die gewerbliche Sonntagsruhe regelt und dafür sorgt, dass den jugendlichen
Arbeitern Zeit zum Besuche des Katechumenen-, Konfirmanden-, Beicht- und
Kommunionunterrichts gesichert wird,