Der erste dieser beiden Einwände ist entschieden falsch. Eine
kurze Skizze der geschichtlichen Entwicklung der bayerischen Ver-
fassungsurkunde wird dies am besten zeigen ®®.
Am 17. Oct. 1814 erging an den geheimen Rath eine kgl.
Entschliessung, in welcher ein besonderer Ausschuss von Staats-
dienern mit der Revision der Constitution von 1808 betraut wurde.
Die Arbeiten wurden alsbald in Angriff genommen, geriethen
aber später wieder in’s Stocken.
Mittelst einer kgl. Entschliessung vom 16. Febr. 1818 wurde
die Wiederaufnahme der Revision angeordnet und bestimmt, dass
dieselbe in Ministerialkonferenzen von den Staatsministern,
dem Feldmarschall und dem Staatsrathspräsidenten vorgenommen
werden solle.
Am 17. Febr. begannen die Sitzungen dieser Ministerial-
conferenzen und endigten am 22. Mai 1818. In dieser letzten,
30. Sitzung waren ausser den Mitgliedern der Konferenz der König,
der Kronprinz Ludwig, der Prinz Karl und vier Staatsräthe an-
wesend. Der von den Mitgliedern der Ministerialconferenz her-
gestellte Entwurf wurde vorgelesen und bis auf die Abänderung
eines einzigen Wortes ohne Erinnerung befunden. Ueber diesen
Vorgang wurde ein Protokoll aufgenommen, das vom König und
sämmtlichen Anwesenden unterzeichnet wurde. Dasselbe schliesst
mit den Worten:
„Nachdem Staatsrath und Generaldirector von ZENTNER
mit Ablesung dieser Verfassung geendet hatte, geruhten Seine
Majestät der König dieser durch Unterzeichnung des Proto-
kolls Allerhöchstihre Sanction zu ertheilen“.
Gemäss Tit. II A 1 der Verordnung vom 3. Mai 1817 ge-
langte der so gebilligte Entwurf zur Berathung an den Staatsrath,
der diese in der Sitzung vom 23. Mai 1818 unter dem Vorsitze
des-Kronprinzen vornahm. Ueber das Ergebniss dieser Berathung
*° cf. Seype, Staatsrecht 1, S. 207 ff. und SevoeL, Das Staatsratsprotokoll
vom 23. Mai 1818 (abgedruckt in der Augsburger Abendzeitung 1898 Nr. 286).