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schriften erst eine Ergänzung finden, die nothwendig ist, „um jene Kräfte
zusammenzufassen, neu zu organisiren, zu verstärken, mit denen der neue
Stoff bewältigt werden soll“. Vor Allem richtet er dabei sein Augenmerk
auf den „Szenenwechsel“, der durch die UmwandInng der Parteiherrschaft
in die des Richters über den Prozess eintreten werde. „Alles weist“, so
betont er eben so treffend wie nachdrücklich, „auf einen besser unter-
richteten, wissenschaftlich höherstehenden, praktisch durchgebildeteren Richter
hin, welcher das materielle Recht frei beherrscht und die Formen des Ver-
fahrens, fern von Willkür, mit Energie und Einsicht handhabt, der auch die
nothwendige Zeit hat, den intensiven Betrieb des Prozesses und der Exekution
zu überblicken und zu leiten, welcher die volle Upparteilichkeit und die Ver-
trauenswürdigkeit besitzt, sich in den freieren Formen des neuen Verfahrens
mit Sicherheit und Autorität zu bewegen, mit einem Worte, der sein
ganzes Wollen und Können für die Ermittlung des Sachverhalts
und für die Anwendung des Rechtes einsetzt“. Das sind goldene
Worte und — Wünsche, deren Erfüllung der Berichterstatter aber voraus-
sieht, da die Fähigkeiten des Richterstandes zur Bewältigung dieser Aufgaben
nur latent seien, verborgen unter der Passivität, zu der der Richter durch
Verbot jeder Selbstthätigkeit — und, füge ich hinzu, durch die so vielfach
zu beobachtende Lahmlegung des öffentlichen Rechtsgedankens
mittelst des privatrechtlichen Verzichtsbegriffs, — seit Jahr-
hunderten geradezu erzogen sei; die dann auch bei der Leitung des Straf-
und Bagatellprozesses und des Unfallschiedsgerichtsverfahrens als thatsächlich
vorhanden bereits erwiesen seien. Für die erforderliche Umgestaltung des
Vorbereitungsdienstes wird dabei auf die bayerischen Verordnungen vom
17. Juli 1893 Bezug genommen, die bekanntlich auch in Preussen Beachtung
gefunden haben. Man sieht also, auch bei der österreichischen Reform macht
sich wieder der richtige Kern des Wortes „Men not measures“ unwillkürlich
und unabweisbar geltend!
Ausser der Nothwendigkeit, zu besserer Durchführung der Arbeits-
theilung Gerichtsschreibereien nach deutschem Vorbilde einzurichten und in
ihnen tüchtige Kräfte für ausreichende Protokollirung zu gewinnen, berück-
sichtigt der Ausschussbericht auch noch die Verhältnisse der Rechtsanwalt-
schaft, der er den „Beruf eines Rechtsbeistandes als eines gleichberech-
tigten, aber auch gleichverpflichteten Faktors der Rechtspflege“ zuweist. Er
berührt den „Niedergang des Advokatenamtes“ neben dem „Aufschwung
des Advokatengeschäftes“ als Uebelstände der „freien Advokatur* in
Oesterreich und Deutschland und hält einen Eingriff in deren theilweise
kranken Organismus für geboten; eine planvoll vorgehende Justizverwaltung
werde aber eine Besserung der Verhältnisse von innen heraus nur Hand in
Hand mit den guten Elementen des Standes selbst anstreben. Würde ausser-
dem mit dem Worte „Rechtsbeistand* Ernst gemacht, — dass also der
Rechtsanwalt sich nicht wie eine Scheidewand zwischen Richter und Partei
Archiv für öffentliches Recht. X. 3. 32